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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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darstellten. »Atem«, hieß es da, »Liebe«.
    Als Lolli plötzlich scharf Luft holte, drehte Val sich blitzschnell um und hob instinktiv das Schwert. Im Eingang lauerte jemand, der so groß und schlank war wie ein Basketballspieler und sich unter dem Türrahmen ducken musste. Als er sich aufrichtete, sah sie sein graugrünes Gesicht, umrahmt von glatten Haaren, schwarz wie Tinte. Zwei vorstehende Schneidezähne ragten aus seinem Kiefer, deren Spitzen sich in das weiche Fleisch seiner Oberlippe gruben. Die Augen hatte er weit aufgerissen, ob vor Angst oder vor Wut, hätte Val nicht sagen können, doch sie stand im Bann seiner schwarzen Iris, die am Rand goldgefleckt war, wie die Augen eines Frosches.
    »Aha.« Die Stimme des Trolls war ein tiefes Grollen. »Was haben wir denn da? Zwei dreckige Mädchen von der Straße.« Als er zwei Schritte auf Val zumachte, taumelte sie rückwärts und fiel beinahe über ihre eigenen Füße vor lauter Panik.
    Mit einem Stiefel stupste der Troll das knochenlose Ding an. »Wie ich sehe, seid ihr an meinem Wachtposten vorbeigekommen. Das ist ungewöhnlich.« Er trug einen zugeknöpften schwarzen Mantel, der ihm vom Hals bis an die Waden reichte, darunter eine schwarze Hose, die das Schockgrün an den ausgefransten Bündchen und am
Nacken, wo der Stoff auf Haut traf, noch mehr hervorstechen ließ. Seine Haut hatte die gleiche fürchterliche Farbe, die man unter einem Kupferarmband sieht, das man zu lange getragen hat. »Außerdem habt ihr euch bereits bei meinen Sachen bedient.«
    Die Angst schnürte Val die Kehle zu, sie stand stocksteif da. Als sie das milchige Blut am Schwert entlangrinnen sah, fingen ihre Hände wieder an zu zittern.
    »Nur ein einziger Mensch kennt diesen Ort. Was hat Luis euch also erzählt?« Der Troll machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Seine Stimme war sanft und wütend. »Geht es um eine Mutprobe? Hat er gesagt, hier lebt ein Monster?«
    Val sah Lolli an, aber die war wie vom Donner gerührt und schwieg.
    Der Troll fuhr sich mit der Zungenspitze über den rechten Schneidezahn. »Aber was hat Luis damit bezweckt, das ist die eigentliche Frage. Wollte er euch einen ordentlichen Schrecken einjagen? Oder mir? Eine gute Mahlzeit? Ich halte es durchaus für möglich, dass Luis glaubt, ich würde euch fressen wollen.« Er machte eine Pause, als erwarte er, dass eins der Mädchen das abstritt. »Glaubt ihr, ich will euch fressen?«
    Val hob das Schwert.
    »Wirklich? Was für eine Überraschung.« Doch dann wurde seine Stimme tiefer, bis er geradezu bellte. »Aber vielleicht seid ihr ja auch nur zwei gewöhnliche Diebe, die Pech hatten.«

    Vals Instinkt übernahm das Kommando. Sie rannte zum Ausgang, dem Troll entgegen. Als er sie packen wollte, tauchte sie unter seinem Arm durch. Sie hatte es die Treppe schon halb hinuntergeschafft, als sie Lolli hinter sich schreien hörte.
    Da stand sie nun, über sich das Rattern der Züge auf der Brücke, immer noch mit dem Schwert in der Hand. Ihretwegen war Lolli hier. Sie, Val, war auf die blöde Idee gekommen, sich selbst beweisen zu wollen, dass Elfen wirklich existierten. Sie hätte zurückgehen sollen, als sie den Baum mit den Früchten gesehen hatte. Sie hätte gar nicht erst herkommen sollen. Sie atmete tief ein und rannte die Treppe wieder hinauf. Lolli lag auf dem Boden, die Tränen liefen ihr übers Gesicht und ihre Gestalt sah seltsam schlaff aus. Der Troll hielt ihr Handgelenk gepackt und wollte offenbar gerade etwas von ihr.
    »Lass sie los«, sagte Val. Ihre Stimme klang fremd - wie die eines tapferen Menschen.
    »Wohl kaum.« Er bückte sich, riss Lolli die Kuriertasche herunter und kippte sie aus. Münzen rollten über den Holzboden, neben Flaschen mit schwarzem Sand, dazu Nadeln, ein verrostetes Messer, Kaugummis, Zigarettenkippen und Puder, der zerbröckelte, als er auf den Boden knallte. Der Troll langte nach einer Flasche und berührte mit seinen langen Fingern fast den Flaschenhals. »Wieso willst du dieses -«
    »Wir wollen nichts von dir.« Val trat vor und hob das Schwert. »Bitte.«

    »Tatsächlich?« Er schnaubte. »Und was hast du da in der Hand?«
    Val schaute auf das Schwert, das im Licht der Neonröhren wie ein Eiszapfen schimmerte. Sie war überrascht; sie hatte vergessen, dass es ihm gehörte. Sie drehte die Spitze zum Boden, erwog, es fallen zu lassen, hatte aber Angst, unbewaffnet dazustehen. »Bitte, nimm es. Nimm es, dann gehen wir.«
    »Du bist kaum in der Lage, mir etwas

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