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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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vorzuschreiben«, sagte der Troll. »Leg das Schwert hin. Vorsichtig. Das da ist mehr wert als du.«
    Val zögerte und bückte sich, als wollte sie die Glasklinge hinlegen. Sie behielt es aber in der Hand und beobachtete den Troll weiter.
    Auf einmal drehte er Lolli den Finger um und sie schrie. »Möge er ihr jedes Mal Schmerzen bereiten, wenn sie jemandem etwas wegnimmt.« Er packte einen zweiten Finger. »Und möge es dir Schmerzen bereiten, dich für den Grund ihrer Schmerzen zu halten.«
    »Aufhören?«, schrie Val und ließ das Schwert auf die Holzdielen fallen. »Wenn du sie gehen lässt, bleibe ich hier.«
    »Was?« Seine Augen wurden schmal, dann hob er eine schwarze Augenbraue. »Spielst du die Heldin?«
    »Sie ist meine Freundin.«
    Er hielt inne und sein Gesicht wurde seltsam ausdruckslos. »Deine Freundin?«, sagte er ohne Betonung. »Sehr gut. Dann bezahlst du für ihre Dummheit wie für deine eigene. Das ist die Bürde einer Freundschaft.«

    Val musste erleichtert ausgesehen haben, denn ein kleines, grausames Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Wie viel Zeit ist sie dir wert? Einen Monat im Dienst? Ein Jahr?« Tränen glitzerten in Lollis Augen.
    Val nickte. Klar, egal was. Hauptsache, er ließ sie laufen, dann wäre es egal, was sie versprochen hatte.
    Er seufzte. »Diene mir einen Monat lang, eine Woche für jedes gestohlene Teil.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Egal was ich verlange.«
    Als sie zusammenzuckte, lächelte er.
    »Jeden Abend bei Dämmerung gehst du in den Seward Park. Dort wirst du unter der Wolfspfote einen Zettel finden. Tust du nicht, was dir darin befohlen wird, nimmst du ein böses Ende. Verstanden?«
    Val nickte. Der Troll ließ Lollis Hand fallen, und sie kroch umher, um ihre Sachen wieder einzusammeln.
    Der Troll streckte einen langen Finger aus. »Geh zum Tisch und hole mir die Tinktur mit dem Etikett ›Stroh‹.«
    Val schob die Glasgefäße hin und her, während sie sich mit der geschwungenen Handschrift abmühte: Leinkraut, Vogelknöterich, Gartenraute, Blutwurz und Beifuß. Dann hielt sie eine Lösung hoch, im Glas eingedickt und trüb.
    Der Troll nickte. »Das ist sie. Bring sie her.«
    Mit dem Glas in der Hand ging sie zu ihm, nah genug, um zu merken, dass sein Mantel aus Wolle war, verschlissen und mottenzerfressen. Aus den Ohrenspitzen wuchsen ihm kleine krumme Hörner, sodass die Ohren aussahen, als würden sie oben verhornen.

    Er nahm das Gefäß, öffnete es und tauchte seine Finger hinein. Val wich zurück, die Lösung roch nach faulem Laub.
    »Bleib«, sagte er wie zu einem Hund, der bei Fuß bleiben sollte.
    Sie war wütend auf sich selbst, weil sie solche Angst hatte, konnte aber nichts dagegen tun und rührte sich nicht. Er strich ihr mit triefenden Fingerspitzen über den Mund. Val war darauf gefasst, dass seine Haut sich ölig oder scheußlich anfühlen würde, aber sie war einfach nur warm.
    Doch als er ihr ins Gesicht sah, war sein Blick von solcher Intensität, dass sie erschauerte. »Wiederhole die Bedingungen deines Versprechens.«
    Sie tat es.
    Computerspiele waren angeblich schlecht, weil sie gegen den Tod abstumpften und es als Zeichen von Erfolg galt, wenn Eingeweide über den Bildschirm spritzten. In diesem Augenblick dachte Val, dass eins der Hauptprobleme bei diesen Spielen darin bestand, dass der Spieler alles ausprobieren sollte. Gab es eine Höhle, ging man rein. Traf man einen geheimnisvollen Fremden, sprach man ihn an. Gab es eine Landkarte, orientierte man sich daran. Doch im Spiel hatte man hundert Millionen Leben und Val hatte nur dieses eine.

5
    Keine Silbe sonst entriss sich seinem düstren Innern,
bis ich seufzte: »Mancher Freund verließ mich
früher schon ohn’ Wiederkehr -
Morgen wird er mich verlassen,
wie mein Glück - ohn’ Wiederkehr.«
Doch da sprach er »Nimmermehr.«
    EDGAR ALLAN POE, »DER RABE«

    D ie Stadt war hell erleuchtet, und überall standen Raucher vor den Bars und Restaurants, als Val und Lolli aus der Brücke auf die Straße taumelten.
    Ein Mann schlief auf einer zerrissenen Pappe, wälzte sich im Schlaf auf die andere Seite und zog die Jacke enger. Val starrte konzentriert auf diese Bewegung, ihre Muskeln verhärteten sich, bis ihr die Schultern wehtaten. Lolli wiegte die Kuriertasche wie ein Kuscheltier und schlang ihre Arme um die Tasche und sich selbst.
    Es war wirklich merkwürdig, wie schwer es nachzuvollziehen war, welche Gründe, Impulse und Gedanken einen dazu brachten, etwas

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