Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
Vom Netzwerk:
Gedanken kehrten zu der schrecklichen Nacht unter dem Dom zurück, und plötzlich fügten sich Frédérics Informationen und die Erinnerungsfetzen wie von selbst zu einer neuen Erkenntnis zusammen. Sie hatte es die ganze Zeit über nicht wahrhaben wollen, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Tatsachen ins Auge zu sehen: Ihre Freunde waren das Opfer unreiner Vampire geworden.
    Wobei sich dann eine Frage unausweichlich aufdrängte: «Warum warst du zur rechten Zeit da, um mich zu retten?»
    Sie musste nicht genauer ausführen, was sie meinte. Er schien ihren Gedankengang wie selbstverständlich nachverfolgt zu haben. Seine Stimme war leiser als zuvor, aber dank ihres exzellenten Gehörs verstand sie trotzdem jedes Wort. «Das ist eine der Fragen, auf die ich selbst gerne die Antwort wüsste. Vielleicht hat eine höhere Macht das so gefügt. Ich musste einfach dorthin …»
    Nun gut, das war vielleicht auch gar nicht so wichtig. Er war da gewesen, das war das Einzige, was zählte.
    Trotzdem musste sie eins unbedingt wissen: Wer war sie und woher kam sie? Sonst konnte sie ihrer ungewissen Zukunft nicht vorbereitet entgegen treten, obwohl sie auch ein wenig Angst vor der Antwort hatte. Jede neue Information barg einen weiteren Schrecken. Sie war eine Halbelfe, Frédéric war ein Vampir, ihr Vater war ein Vampirjäger. Was würde sie noch alles erfahren?
    Sie holte tief Luft und fühlte, wie ihre neuen Flügel dabei zitterten. «Wer sind denn nun meine leiblichen Eltern? Weißt du das?»
    «Du bist in Rennes geboren, Vater unbekannt. So habe ich es im Geburtsregister der Stadt nachgelesen. Mutter Marie Boux, fünf Tage nach der Niederkunft im Krankenhaus verstorben. Du wurdest offiziell von Geoffrey Boux, Maries Bruder, an Kindesstatt adoptiert, weil Marie ihn als Paten angegeben hatte.»
    Ihr Herz verkrampfte sich. Sie atmete erneut tief durch und zwang sich zur Ruhe. «Mein richtiger Vater ist also unbekannt, weil er ein Elf war?»
    «Richtig. Das durfte natürlich kein Mensch erfahren. Nicht dass man Marie überhaupt Glauben geschenkt hätte. Ihr war sicherlich klar, dass man sie für verwirrt gehalten und in die Psychiatrie überwiesen hätte, wenn sie so etwas behauptet hätte. Also hat Marie niemandem verraten, wer dein Vater war.»
    Dann hat maman es vielleicht wirklich nicht gewusst, zumindest hatte sie auf Aliénor nicht den Eindruck gemacht, als kenne sie die Wahrheit.
    «Was ich nicht verstehe: Wieso hat mir denn niemand gesagt, dass ich adoptiert wurde? Meine Mutter hat mir darauf nur eine ziemlich vage Begründung gegeben. Ich hätte doch ein Recht darauf gehabt zu erfahren, woher ich komme.»
    Nur Geoffrey hätte ihr verraten können, was in seinem Kopf vorging, als er sich entschied, das Baby seiner Schwester als sein eigenes Kind anzunehmen. Und ihn konnte sie natürlich nicht fragen.
    Sie seufzte.
    «Wenn du es genau wissen willst, dann musst du Geoffrey fragen», bestätigte Frédéric ihren eigenen Gedankengang. «Vielleicht hat er gehofft, das Elfenblut wäre zu schwach und du würdest dich nie verwandeln. Seiner Reaktion nach zu urteilen, muss er es jedenfalls gewusst haben. Vielleicht hat Marie es ihm sogar erzählt, bevor sie gestorben ist. Es war auf jeden Fall bequemer, dir nichts zu erzählen. Du hättest doch bestimmt versucht, mehr herauszufinden.»
    In diesem Punkt hatte Frédéric absolut recht. Sie hätte versucht, ihren unbekannten Vater zu finden. Das war auch jetzt noch ihr Ziel. Auch wenn sie keine genaue Vorstellung hatte, wie sie es anstellen sollte, sie würde sich auf die Suche nach ihrer Herkunft machen.

18
    Durch die verdunkelten Scheiben war kaum etwas von der Landschaft zu sehen, nur da oder dort erkannte sie die beleuchteten Fenster einzelner Gehöfte oder vorbeihuschender Dörfer.
    Aliénor schloss die Augen und versuchte, alle Gedanken auszuschalten, die sie belasteten. Seitlich angelehnt, die Beine auf die Rückbank hochgezogen, saß sie einigermaßen bequem. Das Auto lag sehr ruhig auf der Straße. Sie hatte gar nicht den Eindruck, dass sie fuhren, es war eher wie ein Gleiten oder Schweben.
    Irgendwann bog das Auto ab und der Untergrund veränderte sich. Aliénor wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht hatte sie tatsächlich ein wenig gedöst. Sie hob den Kopf und versuchte, draußen etwas zu erkennen, als der Wagen langsamer wurde und schließlich ganz zum Stillstand kam.
    «Sind wir da?», fragte sie.
    Frédéric nickte. «Ja.»
    Er stieg aus,

Weitere Kostenlose Bücher