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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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Aliénor.
    So wartete sie auf die Abende mit Frédéric. Meist aßen sie allein und sprachen über Gott und die Welt. Doch nie wieder erlaubte er, dass sie ihm wirklich nahe kam. Sobald sie das Gespräch auf privatere Themen lenkte, blockte er dies gekonnt ab.
    Zunächst war es ihr gar nicht aufgefallen. Dazu war er zu amüsant, brachte sie zum Lachen und erstaunte sie mit seinem weitläufigen Wissen, aber dann erkannte sie, dass er eine Mauer um sich gezogen hatte, die sie nicht durchbrechen konnte.
    Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie unwillkommen war. Im Gegenteil, er drängte sie nie, das Schloss zu verlassen und endlich nach Brocéliande aufzubrechen. Aber sie wusste, es kam die Zeit für sie zu gehen.
    Frédéric hatte sie hierher geholt, damit sie sich erholen konnte. Sie fühlte sich erholt und es hatte keinen Sinn noch länger zu warten. Sie musste herausfinden, wer ihr Vater war, um zu verstehen, wer sie selbst überhaupt war. Bevor sie das nicht wusste, machte es keinen Sinn, das Rätsel Frédéric näher erkunden zu wollen.
    Dass sie es erkunden wollte, stand für sie außer Frage. Egal, wie höflich er sie jetzt auf Abstand hielt, sie wusste, dass auch er etwas für sie empfand. Was genau das war, hieß es noch festzustellen. Genau wie sie sich selbst ihrer eigenen Gefühle ihm gegenüber noch unklar war. Sie mochte ihn, sie begehrte ihn, das stand ohne Frage fest. Doch war da noch mehr? Aliénor hielt es für möglich, weigerte sich aber, diesen Gedanken in ihrer ungeklärten Situation zu Ende zu denken.
    Was sie aber wusste, war, dass sein Verhalten frustrierend war. Wenigstens einmal noch wollte sie zu ihm durchdringen, bevor sie ging. Nicht die wohl gehütete Fassade, sondern den Mann dahinter sehen. Morgen würde sie abreisen, also hatte sie keine Zeit zu verlieren. Diesmal würde er ihr nicht wieder ausweichen.
    Sobald sich die Stahltür geöffnet hatte, ging sie zu seinem Zimmer. Nach der Nacht des Kusses hatte er sie nicht wieder hierhin eingeladen. Nun, sie hatte nicht vor, länger auf eine Einladung zu warten.
    Sie klopfte an die Tür und trat auf ein leises «Herein» von drinnen ein.
    Das Zimmer war leer. Geräusche aus dem Nebenraum sagten ihr, dass Frédéric wohl gerade aus dem Bad gekommen war und sich anzog.
    Aus den verborgenen Lautsprechern drang leise klassische Musik. Aliénor hatte noch nie etwas gehört, das so gefühlvoll vorgetragen worden war. Die Violinen, Oboen, Cellos drangen nicht nur in ihre Ohren ein. Sie versetzten ihr Gemüt, ihr Blut, ihr Herz, ihren gesamten Körper in geheimnisvolle, aber durchaus angenehme Schwingungen. Mal beruhigend, mal zu einem Höhepunkt aufpeitschend, voller Spannung, aber auch voller Harmonie. Das war keine simple Unterhaltungsmusik, die man nebenbei hörte, sondern verlangte für den Genuss den ganzen Zuhörer.
    Eine einzelne Violine zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die anderen Instrumente schwiegen fast, bildeten einen summenden, zurückhaltenden Hintergrund. Die Melodie dieses einen Instruments wurde mit solcher Virtuosität vorgetragen, als führe eine göttliche Hand den Geigenbogen.
    «Die vier Jahreszeiten von Vivaldi, das berühmte Concerto No 3 in F», sagte Frédéric plötzlich direkt an ihrem Ohr. «Gefällt es dir?»
    Überrascht drehte sie sich um. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er das Zimmer betreten hatte. Sie versuchte zu ignorieren, wie gut er aussah, wie sehr er auf sie wirkte. Was hatte er gefragt? Ach ja, die Musik.
    Sie nickte. «Sehr. Es gefällt mir sehr.»
    «Komm her.» Er nahm ihre Hand und führte sie zum Sofa. Gemeinsam lauschten sie der Musik, während er ihr leise von Vivaldi und seinem Werk erzählte. Als die Musik endete, wandte sie sich strahlend an ihn. «Erzähl mir mehr», forderte sie.
    Er lachte, weigerte sich aber nicht. «Warte. Ich glaube, das hier könnte dir auch gefallen.» Er ging zu der futuristisch anmutenden, teuer aussehende Stereoanlage hinüber und wechselte die CD.
    Das neue Stück begann und die Musik umschloss Aliénor wie ein Kokon. Schmeichelnd glitt sie über ihre Haut, fast wie eine Berührung. Nur dass sie dann viel tiefer in sie eindrang und ihre Herz, ihre Seele berührte.
    Bei so einer Musik sollte man sich lieben, schoss es Aliénor durch den Kopf. Auf einem großen Bett, auf samtweichen Decken, in einem abgedunkelten Zimmer, umgeben von warmem Kerzenschein.
    «Brahms», sagte er, als er sich wieder neben sie setzte. Er sprach weiter zu ihr, doch sie konnte sich nicht mehr

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