Elfenkind
Haare breiteten sich wild um ihre Schultern, ihre Lippen waren von seinen Küssen geschwollen. Er hatte sie noch nie so schön gefunden.
Er konnte nicht glauben, was er getan hatte. Hatte er sich wirklich so weit vergessen? Andererseits, wie hätte er ihr widerstehen sollen, seiner kleinen Elfe.
Und da war es wieder, genau das Problem. Sie war nicht sein . So sehr er sich das auch wünschen würde.
Es war schon schlimm genug, dass er ihr nachgegeben und mit ihr geschlafen hatte. Natürlich hatte er es auch gewollt. Er hatte es schon die ganze Zeit gewollt. Seit sie im Schloss war, vermutlich sogar schon früher, hatte er von nichts anderem geträumt, als sie in seinem Bett zu haben.
Aber es ging nicht. Es war egoistisch und falsch. Er konnte ihr keine Zukunft bieten. Sie konnten unmöglich zusammen bleiben. Er brachte Unheil und Verderben über jeden, der ihm nahe war. Sie war schon einmal den Unreinen begegnet. Er würde es nicht überleben, wenn sie es durch seine Schuld noch einmal tun würde – und dann vielleicht nicht rechtzeitig würde fliehen können.
Er wünschte sich, es wäre anders, aber er machte sich nichts vor. Irgendwann würde die Nacht kommen, in der er nicht da sein würde, in der er sie nicht schützen konnte. Genau wie es bei Valentine gewesen war. Die Erinnerung sandte ihm noch immer eisige Schauer über den Körper.
Nein, es war undenkbar. Aliénor musste zu den Elfen. Dort würde sie ihren Vater finden, dort war ihr Leben. Mit der Zeit würde sie ihn vergessen.
Bei dem Gedanken zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen.
Am liebsten hätte er sie noch näher an sich gezogen, ihr liebes Gesicht mit Küssen bedeckt und sie noch einmal, zweimal, die ganze restliche Nacht geliebt. Stattdessen strich er ihr nur noch einmal über das Haar und machte sich dann los von ihr.
Sie wachte auf, als er sie aus seinen Armen entließ. Ihre hellen blaugrünen Augen waren voller Zärtlichkeit, als sie ihn ansah.
«Hallo», murmelte sie und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Er schluckte hart, wandte sich von ihr ab und schwang die Beine über die Bettkante. «Du solltest jetzt besser wieder in dein Zimmer gehen», sagte er mit dem Rücken zu ihr. Er wollte ihr Gesicht nicht sehen, wenn er es ihr sagte.
Feigling , schalt er sich. Das hatte sie nicht verdient. Er drehte sich zu ihr, sah ihre Augen sich überrascht weiten und den Schmerz, der darin aufblitzte.
«Ja», sagte sie ruhig. «Natürlich.» Sie griff nach ihrer Kleidung und begann sich schnell und methodisch anzuziehen.
Ihre stille Akzeptanz traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Er hätte sich Vorwürfe gewünscht, Anklagen, sogar einen hysterischen Anfall. Alles, nur nicht das hier.
Vielleicht wäre es ja doch möglich, dachte er verzweifelt. Sag mir, dass es möglich ist, Aliénor. Sag es!
Doch Aliénor schwieg. Jetzt wieder vollkommen bekleidet stand sie vor ihm. Ihr Lächeln brach ihm das Herz.
«Wir sehen uns morgen», sagte sie sanft. «Ich bin schon sehr gespannt auf Brocéliande.»
Er nickte nur, unfähig irgendetwas Sinnvolles zu sagen. Sie kam zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Was war nur los mit dem Mann?, fragte sich Aliénor, als sie wenige Minuten später wieder in ihrem Zimmer war. Sie wäre wütend über ihn gewesen, wenn es nicht so überdeutlich gewesen wäre, wie unglücklich er war.
Zuerst hatten seine Worte sie verletzt. Auch wenn sie ihm gesagt hatte, dass sie nichts von ihm erwartete, waren ein «War nett und Tschüss» nicht das, was man nach seinem ersten Mal hören wollte.
Aber dann hatte sie den Blick in seinen Augen gesehen und verstanden, dass er nicht meinte, was er sagte. Die Worte, die von seinen Lippen kamen, und das, was sie in seinem Gesicht las, wollten absolut nicht zueinander passen.
Und trotzdem hatte er sie weggeschickt. Warum?
Sie spürte, wie sie langsam doch wütend wurde. Zwischen ihnen passierte gerade etwas, etwas Besonderes. Das musste auch er fühlen. Natürlich konnten sie nicht wissen, wohin es führen würde, aber wie konnte er ihnen schon jetzt die Chance verweigern zu erkunden, was möglich war?
War es, weil sie eine Elfe war? Sie blickte in den Spiegel und spürte, wie dieser Gedanke ihre Wut nur noch wachsen ließ. Wenn es wirklich das war, dann …
Ihr fehlten die Worte, für das, was sie ihm antun wollte, wenn es wirklich so war. Der dumme Mann. Am liebsten hätte sie ihn dann seinem Schicksal überlassen. Dann sollte er eben allein
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