Elfenkind
aber dennoch sehr … intim. Ich habe gehört, dass Frédéric seine virgo schon seit einiger Zeit nicht mehr besucht hat. Das ist noch nie passiert.»
Sie lächelte Aliénor entschuldigend zu, als wäre es ihr unangenehm, darauf hinzuweisen, dass es vor ihr andere Frauen in Frédérics Leben gegeben hatte. Aliénor sagte sich, dass sie kein Kind mehr war. Natürlich wusste sie, dass sie nicht die erste Frau in Frédérics Leben war. Trotzdem versetzte ihr der Gedanke einen kleinen Stich.
«Was auch immer er gesagt hat», sprach Valentine weiter, «bitte urteilen Sie nicht zu hart über ihn. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, auch er hat eine Chance auf Liebe verdient.»
Aliénor seufzte und setzte sich auf ihre Hacken zurück. «Ich fürchte, zu dem Schluss bin ich auch schon gekommen», sagte sie Valentine mit einem schiefen Lächeln.
«Sie werden also hierbleiben?», fragte Valentine. In ihren Augen schimmerten Tränen.
Aliénor schüttelte den Kopf. «Nein.» Sie wehrte den kommenden Einwand der anderen Frau ab. «Ich muss nach Brocéliande. Aber ich werde wiederkommen.»
«Danke», flüsterte Valentine und drückte noch einmal ihre Hand.
«Können wir uns nicht duzen und Freudinnen sein?», meinte Aliénor impulsiv.
Valentine wirkte überrascht über den Vorschlag, lächelte dann aber. «Gerne», sagte sie leise. «Und jetzt muss ich gehen. Frédéric darf auf keinen Fall erfahren, dass ich hier gewesen bin.»
Die Frauen lächelten sich beinahe verschwörerisch zu.
An der Tür beugte sich Valentine vor und küsste Aliénor auf beide Wangen. Es kostete sie sichtbar große Mühe und sie wirkte etwas steif, es kam aber offensichtlich aus tiefstem Herzen. « Au revoir, mon amie . Ich freue mich schon, dich bald wiederzusehen.»
Aliénor schloss die Tür hinter ihrer nächtlichen Besucherin und blieb noch einen Moment mit der Klinke in der Hand stehen. Am liebsten wäre sie sofort zu Frédéric gegangen und hätte ihm etwas Verstand in seinen Dickschädel geprügelt.
Aber sie wusste, dass sie nichts Falscheres hätte machen können. Sie war viel zu aufgewühlt und Frédéric viel zu verbohrt, als dass sie heute Nacht noch irgendetwas erreicht hätte. Nein, sie würde wie geplant morgen zu den Elfen aufbrechen und die Frage nach ihrem richtigen Vater klären.
Danach, wenn sie sich beide beruhigt und etwas Zeit zum Nachdenken gehabt hatten, würde sie zurückkommen. Und dann würde sie keine Ausflüchte mehr akzeptieren: Frédéric würde sich seinen Gefühlen ihr gegenüber stellen müssen.
26
Frédéric hatte Aliénor erklärt, dass er das Elfenreich nicht betreten dürfe. Es herrsche zwar keine offene Feindschaft zwischen Vampiren und Elfen, aber auch nicht viel mehr als ein Waffenstillstand.
Er hatte ihr versprochen, sie so weit wie möglich in den Wald von Brocéliande zu bringen. Offiziell war der Wald nicht unter diesem Namen bekannt. Westlich von Rennes in der Hochbretagne gelegen war er auf Karten als Wald von Paimpont verzeichnet, das Herz der Bretagne und der größte Wald der gesamten Region.
Aliénor war aufgeregt und es war unmöglich zu differenzieren, was sie am meisten in Unruhe versetzte. Der mystische Ruf dieses Waldes, die bevorstehende Begegnung mit ihrer Elfenverwandtschaft – oder der Abschied von Frédéric. Sie wusste, es war kein Abschied auf Ewigkeit, aber ihr Herz lag ihr dennoch wie ein schwerer Stein in ihrer Brust. Denn wer wusste schon, wie lange es dauern würde, bis sie ihn wiedersehen würde.
Hatte sie in den vergangenen Tagen erfolgreich Gedanken an Laras Tod und an ihre Mutter verdrängt, so wurde ihr in diesem Moment bewusst, dass dies eine Zeit voller Abschiede war. Selbst die Tatsache, sich nicht von ihrem Bruder Maurice verabschiedet zu haben, schmerzte.
Jetzt erst war ihr bewusst, dass er ihr etwas bedeutete, obwohl sie sich häufig wie Hund und Katze verhalten hatten. Was man ihm wohl erzählen würde, wo seine Schwester geblieben war? Bestimmt drängte Geoffrey darauf, ihm eine Lüge aufzutischen.
Irgendwie musste sie ihrer Mutter bald eine Nachricht zukommen lassen, dass es ihr gut ging, dass sie fortgegangen war, um ihr eigenes Leben zu leben, ohne zu verraten, wo dieses künftig stattfinden würde.
Frédéric wirkte völlig auf den Verkehr konzentriert. Seine Augen wechselten zwischen den Spiegeln und der Fahrbahn hin und her, aber nicht ein einziges Mal sah er zur Seite und sie an. Es war, als wäre sie gar nicht anwesend und das fühlte sich an
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