Elfenkrieg
wäre einmal Eamon«, säuselte sie mit einem sehnsüchtigen Blick in seine Richtung. »Der Bruder der Königin, ein Mann mit Einfluss, von den Elfen geliebt und geachtet. Kann ich Euch noch brauchen?« Sie hob die Schultern und wandte sich ab. Vinae spürte ihre Kehle enger werden, als der Blick der kalten Augen auf sie fiel.
»Eine Thesalis«, sagte die Priesterin, während sie Vinae musterte. »Eine zukünftige Tempeldienerin. Von keinem Nutzen.«
Die Priesterin drehte mit einem boshaften Lächeln den Kopf und betrachtete nun Meara. »Was Euch betrifft«, säuselte sie, »bin ich mir noch nicht sicher. Ich glaube, Ihr könntet mir noch nützlich sein. Andererseits würde ich Euch auch gern leiden sehen.« Sie lachte auf. »Ihr müsst wissen, Meara Thesalis, da ist etwas in mir, das Euch hasst, und dagegen kann ich nun einmal nichts machen.« Sie hob in einer hilflosen Geste die Hände.
Nebel zog durch das Blau ihrer Augen, und Vinaes steifer Körper sackte plötzlich zusammen. Erst begriff sie nicht, dasssie sich wieder bewegen konnte, doch als sie Eamon sah, der sich langsam aufrichtete, und auch ihre Mutter, die ihre Hände bewegte, versuchte sie nun selbst zu sehen, ob der Bann aufgehoben war. Langsam hob sie ein Bein, einen Arm und atmete erleichtert auf.
»So«, brach die Priesterin das Schweigen, »versucht erst gar nicht Eure kleinen Tricks anzuwenden. Ihr würdet ja doch nur wieder ... verhindert.« Gemächlichen Schrittes ging sie auf Vinae zu. Den Dolch hielt sie mit leichtem Griff in der Hand, als wäre er nichts als ein harmloses Spielzeug.
Vinae wusste nicht, was sie tun sollte. Zurückweichen? Die Magie rufen?
Genauso regungslos wie noch vorhin stand sie da und sah der Priesterin entgegen. Ihr entging jedoch auch nicht, wie sich Eamon langsam näherte. Meara beobachtete das Geschehen hingegen aus sicherer Entfernung.
»Lass sie in Ruhe«, kam es dann aus Eamons Richtung, und auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Wirkung seiner Worte gering war, fühlte sich Vinae einen Moment lang getröstet. »Vanora, das bist nicht du. Versuch, dich an dein altes Leben zu erinnern.«
Die Priesterin blieb einen Schritt vor Vinae stehen und sah zu Eamon. Es war nicht zu erkennen, ob die Worte sie berührten, das Gesicht war wie aus Stein gemeißelt.
»Vanora«, fuhr Eamon eindringlich fort. Die Wunde an seiner Brust blutete nicht mehr, und seine Bewegungen zeugten von keiner Schwäche. »Ich weiß, du hasst das Schicksal. Nicht ohne Grund. Deine Seele hat sich verdunkelt. Damals nach dem Tod deines Vaters. Du hast ihn geliebt. Weißt du nicht mehr?«
Die Priesterin legte einen Moment lang den Kopf schief, dann lächelte sie. »Ich habe keine Eltern«, sagte sie.
»Nicht dieselben.« Eamon hielt in einigem Abstand vor ihr inne. »Wurdest du wiedergeboren?«, fragte er. »Rede mit mir. Wer sind deine Eltern? Wie kamst du hierher?«
»Wiedergeboren?« Die vollen Lippen der Priesterin verzogen sich zu einem Schmunzeln, die Saphire ihrer Augen blitzten. »Nein, Eamon«, sagte sie in ihrem Singsang. »Nicht wiedergeboren. Ich wurde erschaffen .«
Mit diesen Worten wirbelte sie herum. Vinae sah die Klinge im silbernen Miranlicht aufleuchten und wollte aufschreien, zurückweichen, da fuhr ein brennender Schmerz durch ihre Kehle, als wäre ein Blitz hindurchgefahren. Ihr Schrei wurde zu einem Gurgeln, während die Schreie Eamons und ihrer Mutter vom Gewölbe zurückgeschleudert wurden und in der Leere des Saals standen. Ohne die Bewegung bewusst wahrzunehmen, schlug Vinae die Hände an ihren Hals, und ihre ohnehin schon weit aufgerissenen Augen weiteten sich noch mehr, als sie das warme Blut zwischen ihren Fingern hindurchsickern spürte, so wie sie es eben noch beim Orakel gesehen hatte.
»Sagt Eurer Königin, die Zeit ist abgelaufen«, hörte sie wie aus weiter Ferne die Stimme der Priesterin. »Sie hat sich entschieden, genau wie ich.«
»Vinae!« Es war die Stimme ihrer Mutter, doch Vinae konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Alles um sie herum wurde dunkel. Ihre Glieder fühlten sich kalt an. Sie hörte auch Eamon, doch er war zu weit weg. Sie selbst trieb davon. Mit jedem neuen Schwall Blut tauchte sie ein in die Finsternis.
Die Priesterinnen waren alle tot, so auch die Tempelwachen. Niemand war den Nebelgestalten entkommen, während diese sich unsichtbar zwischen den Reihen der Ritter bewegt und ihr blutiges Werk verrichtet hatten. Kein einziger Diener des Orakels war verschont worden, einzig Liadans
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