Elfenkrieg
erinnerte sich noch gut an seine leidenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Vanora und wie schnell sie hatte explodieren können, doch Vinae sah ihn einfach nur an.
Dieser Blick machte es ihm unmöglich, ruhig zu bleiben. Er war beredter als jeder ausgesprochene Vorwurf, und so sprudelten die einstudierten Worte der Verteidigung immer schneller aus seinem Mund.
»Niemals hätte ich damit gerechnet, dass diese Begegnung hätte Wirklichkeit sein können, Vinae. Es war ja im Grunde doch nur ein Traum. Ich wäre auch niemals auf den Gedankengekommen, dass ... Leben daraus entstehen könnte. Vinae, du musst mir glauben, hätte ich auch nur etwas geahnt, hätte ich gewusst, dass es dich gibt, ich wäre bei dir gewesen. Ich hätte mich um dich gekümmert. Diese ganze Sache damals war so verrückt ... unwirklich. Ich ...«
»Danke.«
Eamon hielt verblüfft inne und sah sie an, doch noch immer kam kein Zorn in ihr zum Vorschein. Wie war das möglich? Schließlich hatte er ihr eben offenbart, dass er ihr Vater war und sie seit mehr als achtzig Jahren im Stich gelassen hatte! Er hatte ihr offenbart, dass er sich auf seine Feindin eingelassen hatte, während seine Krieger in den Totenfeuern gebrannt hatten und die Verwundeten gestorben waren. Wie konnte sie ihn nur so ruhig ansehen?
»Ich danke Euch für Eure Offenheit.«
Eamon blinzelte verwirrt, doch als sich Vinae plötzlich erhob, sprang er ebenfalls auf die Beine.
»Wo willst du hin?«, fragte er sie, wobei er sich nur mit Mühe zurückhalten konnte, um sie nicht zu packen und durchzuschütteln.
Vinae blieb stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an.
»Meine Mutter ist bestimmt bereits in Acre«, sagte sie, als hätte dieses Gespräch gar nicht stattgefunden. »Ich muss auch zurück, ehe Fürst Daeron nach mir suchen lässt.«
»Nach dir ...?«
»Auf Wiedersehen, Herr Eamon.«
Vinae sah weder nach rechts noch nach links, als sie den in Flammen stehenden Tempelplatz überschritt. Sie reagierte nicht auf die vereinzelten Grüße der Ritter und auch nicht auf den Gestank der brennenden Körper. Ihr einziger Gedanke war, von hier zu verschwinden, so schnell wie nur möglich. Sie war viel zu lange geblieben, und da sie ohnehin nichts erreicht hatten, konnte sie genauso gut zurückgehen.
Am anderen Ende der Stadt, dort, wo der Drache nicht gewütet hatte, holte sie ihr Pferd ab und machte sich auf den Weg nach Norden. Da ihre Mutter mit dem Schlüssel zum Weltentor vorausgeritten war, musste sie die gesamte Strecke auf herkömmliche Weise zurücklegen, doch Averdun lag nicht sehr weit von Acre entfernt.
Das Licht der Flammen erhellte hinter ihr immer noch den Horizont, als sie in die Dunkelheit des Waldes kam. Nur hin und wieder gelangte ein Silberstreifen des Vollmondes zwischen dem Geäst der Baumkronen hindurch und zeigte ihr den Weg.
Der Hengst flog wie der Wind den schmalen Pfad entlang, ohne ein Geräusch zu verursachen. Er schien es genauso eilig wie sie zu haben, endlich von dem Grauen fortzukommen und den frischen Duft des Waldes zu genießen. Die Leere und Kälte des Todes schienen jedoch an ihr haften zu bleiben, sich in sie eingeschlichen zu haben in jenen Momenten, da er sie zu sich hatte holen wollen. Zudem wurde sie Eamons Gesicht nichtlos. Dieses von Schuld gepeinigte Gesicht. Seine Stimme, die um jedes Wort gekämpft hatte, sein Ausdruck, wie er sich gewunden hatte.
Die Wahrheit erschien ihr logisch, ja sogar offensichtlich. Hatte er nicht dieselben Augen wie sie? War sie nicht immer wieder wegen ihrer Ähnlichkeit zur Königin Liadan angesprochen worden?
Und doch wäre sie nicht im Entferntesten auf solch eine Idee gekommen. Nicht nur, weil Eamon die letzten vierundachtzig Jahre in einer anderen Welt verbracht hatte, sondern wegen der Ereignisse davor. Wegen des Krieges. Der Feindschaft zwischen ihm und Meara. Eamon hatte es ihr zu erklären versucht, doch Vinae verstand es nicht. Sie verstand überhaupt nichts mehr.
Das Geräusch von Hufschlag hinter ihr ließ sie aufhorchen. Sofort begann ihr Herz schneller zu schlagen. Waren ihr die Nebelgestalten gefolgt? Wollten sie zu Ende bringen, was sie angefangen hatten? Doch wieso wollten sie dann gehört werden? Außerdem war es offenkundig nur ein Pferd. Oder war es Eamon, um sie zu einer Aussprache zu zwingen?
Vinae kniff einen Moment lang die Augen zusammen und atmete tief durch. Sie wollte sich eben umdrehen, dem Feind entgegenblicken, da rief Ardemir nach ihr. Die Erleichterung, seine
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