Elfenkrieg
Zeichen.
»Dieser Grogon«, nahm sie den Faden schließlich wieder auf, »war vierundachtzig Jahre lang in Acre eingesperrt, von Schattenkristallen an der Einsetzung seiner Kraft gehindert.«
»Was sind Schattenkristalle?«, fragte Aurün, doch Ardemir brannte eine völlig andere Frage unter den Nägeln.
» War eingesperrt?«, fragte er, und als Vinae seinem Blick auswich, ahnte er Böses.
»Ein Schattenkristall«, antwortete sie Aurün, »blockiert jede Form der Magie, ob nun die eines Elfen oder Grogons. Jede magische Kraft wird dadurch außer Gefecht gesetzt oder zumindest geschwächt.« Sie sah nun niemandem mehr ins Gesicht. »Ich fand den Grogon am selben Tag, als ich die Drachen in den Verliesen unter Acre entdeckte. Er hat die Gestalt eines Elfen – wie jeder Grogon, wie er mir erzählte.«
»Dir erzählte?« Ardemir konnte nicht mehr ruhig stehen bleiben und begann, auf und ab zu laufen. »Du hast mit dieser Bestie gesprochen? Es kann sprechen?«
Einen Moment lang flackerte Zorn in Vinaes Augen auf, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff. »Ehe die Göttin ihm das Leben raubte, war er ein Elf wie du und ich«, gab sie mit bebender Stimme zurück. »Er ist immer noch ein Elf, hat seine Gestalt, kann jedoch auch zu einem Schatten werden, unsichtbar für unser Auge, ungreifbar.« Sie hob ihre Hand, als Ardemir sie unterbrechen wollte. »Von ihm weiß ich alles über die Göttin«, sagte sie mit einer deutlichen Herausforderung in der Stimme. »Von ihm wisst dadurch auch ihr alles. Er will siegenauso an einer Rückkehr hindern wie wir. Sie hat ihm diese Existenz einst angetan ... und deswegen habe ich ihn befreit.«
Stille. Einzig Aurüns schnelles Luftholen antwortete auf diese absurden Worte, ansonsten war niemand zu einer Reaktion fähig. Vinae hatte einen Grogon befreit.
»Weißt du ...«, brach Eamon schließlich das Schweigen, »was du da getan hast? Was dieser Grogon getan hat? Was er tun wird?«
»Er war es nicht, der euch angriff!«, fauchte sie zurück. »Er ist kein aggressives Wesen, anders als so mancher Elf. Er will nur in Freiheit leben, in Frieden, ohne gejagt zu werden, misshandelt und eingesperrt. Ich bat euch doch: Legt eure Vorurteile ab. Meine Mutter hat ihm Furchtbares angetan, ihn gefoltert und ihm seine Macht geraubt. Sie ...«
»Warte.« Eamon ging einen Schritt auf sie zu. »Was heißt das, seine Macht geraubt? Was ist mit seiner Kraft, Seelen zu vernichten?«
Vinaes Miene nahm einen bitteren Zug an. »Sie starb mit den Würfeln.«
»Also ist er harmlos?«, fragte Ardemir, und als Vinae den Kopf schüttelte, lachte er humorlos auf. »Großartig. Was soll das heißen?«
»Ein Grogon«, erklärte sie, »ernährt sich von Seelen. So wurden sie von der Göttin geschaffen, es ist nicht ihre Schuld. Sie wollen auch nur leben, Ardemir. Genauso wie wir Elfen. Doch meine Mutter nahm ihm diese Kraft, und so nimmt er ... er ernährt sich von ... Er ist nicht bösartig, er muss überleben, er tut es nicht aus Grausamkeit, aber er ernährt sich von ... Leben. Der Energie des Lebens, um genau zu sein. Er tötet.«
»Ha!« Ardemir wusste nicht, ob sein Körper jeden Moment in tausend Fetzen zerreißen würde oder ob er lachen sollte.»Das ist ja sehr beruhigend. Er raubt uns nicht die Seelen, er bringt uns nur um.«
»Nein!« Vinae warf einen flehenden Blick durch die Runde. »Das tut er nicht, glaubt mir. Er tut keiner Fliege etwas zuleide. Ich verstehe euch ja, ich reagierte ganz genauso, ehe er mir alles erklärte und ...«
»Meine Güte, Vin, hör dir mal zu!«
»Er kann doch nichts für das, was ihm angetan wurde!«
»Aber ein Dämon, Vin!«
»Wie«, unterbrach Eamons ruhige Stimme schließlich ihr Geschrei, »kann er überleben, wenn er niemanden tötet?«
Vinaes Miene hellte sich auf, offensichtlich dankbar für die Sachlichkeit ihres Vaters. »Wenn er einen Elf berührt«, erklärte sie ihm, »stirbt dieser auf der Stelle, seine Energie geht auf den Grogon über, es sei denn, der Grogon ist stark genug, seine Macht unter Kontrolle zu halten. Ist er ausgehungert, ist die kleinste Berührung tödlich; ist er stark, kann er das Leben langsam nehmen. Er muss noch nicht einmal alles aufnehmen. Der Elf kann weiterleben, muss sich nur etwas ausschlafen ...«
»O bei den Sternen!« Ardemir presste sich die Daumen an die Schläfen. Er sah in Vinaes müdes Gesicht, die lila Ringe unter ihren Augen, und meinte, sich übergeben zu müssen. »Du ...« Das flaue Gefühl drohte ihn
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