Elfenkrieg
fähig sind? Gerade du müsstest es doch wissen.«
»Nein. Der Kerker beweist, dass in ihnen, wenn auch verborgen, ein Funke Güte lebt. Sie lassen mich nicht töten, weil ich ihnen etwas bedeute. Wäre es so, wie du sagst, wäre ich längst tot.«
Ardemir strich sich mit der Hand über die Stirn und atmete tief durch. »Und das wirst du auch bald sein, wenn du so weitermachst. Du setzt dich zu großer Gefahr aus. Und dass sie dich nicht töten, liegt allein daran, dass sie hoffen, dich eines Tages benutzen zu können.« Er hob noch einmal ihre Hand – diesmal sanfter – und begutachtete kopfschüttelnd ihre Wunden. »Vin, du kannst diese Welt nicht ändern. Heute hast du den Jungen gerettet, und in einer Woche wird er im Feld sterben.«
Vinae entzog ihm ihre Hand. Zu oft hatten sie dieses Gespräch bereits geführt. Er würde niemals verstehen, dass sie nicht tatenlos auf all das Leid blicken konnte und dass es niemand anderen gab als sie selbst, um für eine bessere Welt zu kämpfen. Sie war allein, und sosehr sie sich Hilfe wünschte, so genau wusste sie, dass sie immer allein kämpfen würde. Ardemirs Erscheinen hatte dies nur bestätigt. Die Königin hatte andere Sorgen.
»Ich werde mich umhören«, sagte Vinae, da sie sich nicht schon wieder auf einen Streit über den Sinn ihrer Bemühungen einlassen wollte. »Vielleicht erfahre ich etwas von Daeron.«
»Damit bist du uns eine große Hilfe«, sagte Aurün, noch bevor Ardemir antworten konnte. »Wir alle sind uns der Gefahr bewusst, der du dich damit aussetzt.«
»Das Risiko ist zu groß«, ließ sich Ardemir nun doch vernehmen. »Wenn sie herausfinden, dass du für uns ...«
»Sie werden es nicht herausfinden.« Vinae richtete sich aufund klopfte ihren Umhang ab. »Ich kann recht unauffällig sein, wenn ich will.«
Ardemir erhob sich ebenfalls, er lächelte, und der verschmitzte Ausdruck in seinem Gesicht kehrte zurück. »Du wirst niemals unauffällig sein«, sagte er und schob eine Strähne ihres Haares zurück unter das Band. »Aber versuch es nur.«
»Das werde ich.« Sie boxte ihm leicht gegen die Brust, bevor sie ebenfalls hinauf in die Baumkronen sah, um den Stand der Sonne zu überprüfen. »Wann werdet ihr wiederkommen?«
»In einer Woche. Kannst du dich wieder fortschleichen?«
Vinae grinste. »Natürlich.« Sie wandte sich der Königin zu. »Es war mir eine große Freude«, sagte sie und deutete einen Knicks an, ehe sie sich an Nevliin wandte, der sich die ganze Zeit über etwas abseits gehalten hatte. Sie nickte ihm kurz zu, woraufhin der Fürst den rechten Mundwinkel nach oben zog und ihr ein misslungenes Lächeln schenkte. Ohne ein Wort drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Aurün folgte ihm, einzig Ardemir blieb noch und begleitete Vinae zu ihrem Pferd.
»Dieser Junge«, sagte er in versöhnlichem Ton. »Wieso hätte er hingerichtet werden sollen?«
Vinae nahm die Zügel des Hengstes in die Hand und drehte sich zu Ardemir um. »Sein Vater hat angeblich den Tod der Königin geplant.« Sie seufzte. »Die Fürsten bevorzugen es in solchen Fällen, die gesamte Familie auszulöschen.«
»Glaubst du, dass er schuldig war? Dass er Liadan tatsächlich töten wollte?«
»Nein.« Vinae sah an ihm vorbei in den golden erhellten Wald, welcher so friedlich wirkte. »Ich kannte ihn. Er war ein guter Mann. Vielleicht etwas ... beschränkt. Er führte nur seine Befehle aus.« Sie sah wieder zu Ardemir auf. »Er wäre nicht dazu fähig gewesen, selbst wenn etwas Bösartiges in ihm gesteckthätte. Es heißt, sie haben ihn vor zwei Tagen in Derial gefangen genommen. Ich kann mir nicht erklären, was er dort wollte.«
Ardemirs Ausdruck verfinsterte sich. »In Derial?«, fragte er und zog seine Augenbrauen zusammen.
»Ja, so wurde es mir gesagt. Wieso?«
Er schwieg einige Augenblicke lang, sah gedankenverloren an sich herab und berührte seine Brust.
»Ardemir?«
Wie vom Blitz getroffen, zuckte er zusammen und sah sie wieder an. »Ich ... Nichts. Ich meine nur, du hast selbst gesagt, dass dieser Mann Befehle ausführte, ohne darüber nachzudenken. Was, wenn ihn die Fürsten benutzt haben, wenn sie ihn beseitigen mussten, da er Dinge wusste, die zu gefährlich waren, um ihn weiterleben zu lassen? Der letzte Angriff war in Derial – vor zwei Tagen. Ein Zufall?«
Ihre Brust zog sich zusammen. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. »Es sieht so aus, als müsste ich dringender mit Daeron sprechen, als ich dachte«, sagte
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