Elfenkrieg
Mutter niemals verzeihen würde, dass sie dieses Übel ausgelöst hatten. Schlimm genug, dass die Nebelpriester den Krieg zurück in dieses Land gebracht hatten, doch anstatt endlich wieder in Frieden zu leben, führte das Sonnental die Kämpfe weiter. Diese Tat würde sie niemals verstehen.
Im Moment war es jedoch weniger der nächste Tag, den sie fürchtete, sondern die kommende Nacht. Könnte sie sich Daeron hingeben, nach allem, was er getan hatte? Andererseits hatte auch sie bei einem Dämon gelegen, doch Gregoran war ihr niemals so bösartig erschienen wie ihr Gatte. Wie sollte sie Daerons Nähe aushalten, wo er der Inbegriff des Unglücks für dieses Land war?
Sie hatte Gregoran getötet – in einem langwierigen undschmerzhaften Abschied, nicht einmal seine Seele lebte noch. Und was war mit Ardemir? Er war nun ein Drache. Als die Drachen Acre erreicht hatten, war sie zwischen ihnen hindurchgegangen und hatte jedem Einzelnen von ihnen in die Augen geblickt, doch sie hatte Ardemir nicht entdecken können.
Das Abendessen nahm Vinae allein in der Küche ein, um Daeron noch eine Weile zu entgehen, doch noch nicht einmal zwischen den dampfenden Töpfen fühlte sie sich wohl. Seit Enra fort war, erschien ihr Acre noch trostloser, daher zögerte sie ihren Besuch in den feindlichen Gemächern noch etwas hinaus und ging in den Schlosshof, der auf allen vier Seiten von Gemäuern und Arkadengängen eingeschlossen wurde.
Die Sonne war bereits untergegangen, doch noch war es nicht vollkommen dunkel.
Mit dem Wissen, dass ihre beiden Aufpasser am Tor bleiben würden, um sie zu beobachten, schlenderte Vinae auf den Springbrunnen zu, der sich im Schein der fernen Lampen von der Schwärze der Nacht abhob. Das Wasser plätscherte unermüdlich in das riesige Becken. Vinae konnte sich nicht ewig hier draußen verstecken, doch zumindest konnte sie sich einen Moment der Ruhe gönnen. Sich darauf vorbereiten, dass Daeron vielleicht nicht nur reden wollte, sondern auf die Einhaltung ihrer Abmachung bestand. Würde es sehr schlimm werden? Wie würde er sie behandeln? Spielte das überhaupt eine Rolle?
Kaum hatte Vinae sich auf dem Rand des Springbrunnens niedergelassen und ihre Hand in das laue Wasser getaucht, erschien ein Schatten neben ihr. Sie sprang auf und konnte eben noch einen Aufschrei unterdrücken. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihr klar wurde, wer vor ihr stand
»Veresil!«, zischte sie und zog den Elfen in die dunkleren Schatten des Brunnens, damit die anderen Schlangenschilde ihn nicht sofort entdeckten. »Was macht Ihr hier? Wo wart Ihr?«
»Meine Herrin.« Der Anführer der Schlangenschilde schien nervös. Seine schwarze Uniform war geradezu zerfetzt, doch am auffälligsten war das Fehlen der Blutschlange an der Brust. Sie war herausgeschnitten worden.
»Nun sprecht doch.« Vinae hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt. »Das ganze Schloss sucht bereits nach Euch.«
»Ich weiß.« Seine Stimme klang kalt und auf sonderbare Weise so bedrohlich, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
Veresil hielt ihr ein Papier hin. »Lest das«, sagte er knapp.
Vinae nahm das Papier entgegen. Einen Augenblick später blitzte eine Klinge vor ihrem Gesicht auf.
Zu überrascht, um richtig zu begreifen, was hier geschah, erstarrte sie. Würde er sie nun töten? Doch warum sollte sie zuvor noch einen Brief lesen?
Veresil drehte die Klinge in seiner Hand mit einer geübten Bewegung herum und stieß sie sich mit einem Ruck in die Brust, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen. Er hatte unglaublich grüne Augen, klar und hell wie ein See, fiel ihr auf. Dann drang ein entsetzter Schrei aus ihrer Kehle, schrill und so laut, dass die Drachen draußen vor dem Tor ebenfalls zu brüllen anfingen.
Der leblose Körper des Kriegers fiel Vinae entgegen. Die ganze Welt schien über ihr zusammenzubrechen, die dunkle Decke der Nacht sie einzuhüllen und die Zeit zum Stillstand zu bringen. Eben noch hatte sie am Springbrunnen gesessen, Veresil hatte noch gesprochen und jetzt ...
Da sie den toten Veresil nicht halten konnte, stürzten sie gemeinsam. Vinae wurde unter dem Leichnam begraben. Ihre Hände fanden den Dolch, der aus seiner Brust ragte. Trauer überkam sie.
Nicht schon wieder, dachte sie nur und starrte ihre blutbesudeltenFinger an, in denen sie immer noch den Brief hielt. Wann hörte das auf? Wie viele mussten noch sinnlos sterben? Was war mit dieser Welt nur geschehen?
Hände umfassten ihre Arme und zogen sie
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