Elfenkrieg
»Ich kann Euch zu essen bringen«, versuchte sie den Gefangenen zu beruhigen. »Ich kann zu Euch kommen, mit Euch sprechen.«
»Verschwinde!«
»Die Fürsten würden andere für Euer Entkommen bestrafen. Bitte versteht ...«
»Du sollst verschwinden!«
Vinae sprang auf und taumelte angesichts der goldgelben Augen, die, wie ihr schien, einen Moment lang rot geglüht hatten, ein paar Schritte zurück. Mit wild klopfendem Herzen sah sie ihn noch einen Moment lang an, ehe sie sich umdrehte und fortlief. Sie blieb nicht stehen – erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, wagte sie es innezuhalten. Sie lehnte sich dagegen und atmete tief durch.
Wer auch immer dieser Elf war, er war mehr als nur ein Magier. Und er hasste ihre Mutter. Daran bestand kein Zweifel.
Vinae strich sich die gelösten Haarsträhnen zurück und ging mit weichen Knien weiter. Die qualerfüllten Laute und der Lärm des Metalls hallten immer noch aus jenem Tunnel, an dem sie vorhin vorbeigegangen war, aber sie wagte es nicht, diesem Gang zu folgen. Sie würde wiederkommen, doch für diesen Tag hatte sie genug.
Da sie nicht wusste, welchen Weg sie gekommen war, hieltsie sich stets an den Haupttunnel. Wie auf ihrem Hinweg sah sie immer öfter Licht aus manchen der Seitengänge schimmern, und als sie bereits einige Zeitlang unterwegs war und sich einigermaßen beruhigt hatte, entschloss sie sich, doch noch nachzuprüfen, was es damit auf sich hatte.
Vorsichtig, um kein Geräusch zu verursachen, näherte Vinae sich dem rötlichen Schein eines Seitenganges. Der Gang führte nicht besonders weit vom Haupttunnel fort, und beim Näherkommen hörte sie auch dieselben Geräusche wie vorhin vor der Tür zu dem Magier. Es waren das Schlagen auf Metall und die schmerzverzerrten Geräusche irgendeines Lebewesens, das sie nicht erkennen konnte.
Der Gang machte eine leichte Biegung, nach welcher der Lärm ihr bereits so laut entgegenschlug, dass sie nur schwer dem Drang widerstand, ihre Hände auf die Ohren zu pressen. Vinae erkannte in einiger Ferne die Wände einer riesigen Höhle, über die unzählige verzerrte Schatten im roten Licht tanzten. Mit nun etwas schnelleren Schritten trat sie aus dem Tunnel auf eine schwindelerregend hohe Plattform und erstarrte, als sie in die Tiefe blickte.
Dieser Ort war größer, als Vinae es sich jemals hätte vorstellen können. An den Seitenwänden erkannte sie mehrere Ausgänge als schwarze Löcher in den Wänden, von denen Treppen hinabführten. Jeder der Tunnel, an denen sie vorbeigekommen war, musste hierher führen. Das Schloss hätte hier mit Sicherheit zweimal hereingepasst, und doch war es nicht das gewaltige Ausmaß dieses Ortes, dass ihr Herz beinahe stehen blieb.
Mit bleiernen Beinen ging Vinae die wenigen Schritte bis zum Geländer der Plattform und starrte auf das Grauen hinab. Sie musste sich festhalten, um nicht zusammenzubrechen.
Ein halbes Dutzend Drachen lagen in geringem Abstandnebeneinander, mit Ketten an den Boden gefesselt, und selbst in diesem Zustand waren sie noch riesig, höher als ein einfaches Haus. Sie waren es, die diese fürchterlichen Schmerzenslaute von sich gaben, während eine Vielzahl von Elfen über metallene Gerüste auf ihre Rücken kletterte und ... Vinae hatte das Gefühl, zu ersticken.
Mit gebogenen Klingen lösten die Elfen die smaragdgrün funkelnden Schuppen von den Panzern und legten damit das bloße Fleisch frei. An den Seiten, an den kurzen, stämmigen Beinen, überall schoben die Elfen die bluttriefenden Klingen unter die Drachenhaut und trennten sie ab.
Qualmender Rauch stieg aus den Nüstern der Drachen, doch sie schienen selbst zu kraftlos zu sein, um auch nur ihre Köpfe zu heben, während sie dieses schwere Stöhnen von sich gaben, in dem ein herzzerreißender Schmerz lag. Die schimmernden Zacken, die vom Kopf wie eine Krone den Hals der Tiere hinabführten, wurden abgesägt. Die lederartigen Flügel – ähnlich denen von Fledermäusen – waren mit Haken durchschlagen, durch die sie mit Seilen hochgezogen wurden, um den Zugang zum Panzer zu erleichtern.
All das geschah an jenem Ende der Höhle, in dessen Nähe Vinae den Tunnel vermutete, der kurz vor der Tür zu Gregoran endete. Dort war der Lärm am deutlichsten zu hören gewesen. Direkt unter ihr befand sich noch einmal dieselbe Anzahl von Drachen, zusammengepfercht in einem Käfig. Zwischen ihnen befanden sich Drachenelfen, die entweder reglos dalagen oder sich unter den Schmerzen wanden,
Weitere Kostenlose Bücher