Elfenkrieg
dermaßen grausam. Das war unmöglich. Ardemir und auch Nevliin waren ihre Ritter, und sie kämpften gegen Drachen. Sie wussten bestimmt nichts davon. »Sie leben«, flüsterte sie und sah immer nur die Bilder der trostlosen grünen Augen und der sich windenden Elfen.
»Sie spüren kaum etwas.« Daerons Finger berührten ihreWange, doch Vinae wich so schnell zurück, als hätte er sie geschlagen.
»Wie könnt Ihr so etwas sagen?« Ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr. An Spielchen konnte sie keinen Gedanken mehr verschwenden. Wie sollte sie gegen die Grausamkeit kämpfen, wenn selbst die Königin, Ardemir und alle anderen darin verwickelt waren?
»Sie sind betäubt«, hörte sie Daerons Stimme, während sie mit einem mechanischen Kopfschütteln den Boden anstarrte. »Stark betäubt, Vinae. Du weißt, ich verstehe mich auf ...«
»Gifte?« Ihr Kopf ruckte hoch. »Damit sie sich nicht wehren können?«
»Ja. Zum Schutze der Arbeiter. Du kennst das Drachenfeuer nicht, Vinae. Sie würden die Elfen, ohne zu zögern, töten, wir jedoch lassen die Drachen am Leben. Der Panzer wächst wieder nach, heilt ...«
»Bis ihr ihn wieder nehmt!«
»Richtig. Auf diese Weise sind nicht viele Drachen vonnöten. Die Produktion hält sich zwar in Grenzen und ist sehr zeitaufwendig, aber wir nehmen nicht mehr, als wir unbedingt brauchen.«
Vinae wurde übel. Sie musste sich auf ihre Atmung konzentrieren. Wie konnte Daeron sein Werk auch noch als nobel darstellen? Wie konnte solch ein Leid von all den anderen übersehen werden? Leider war sie auch, was das Verschwinden der Drachenelfen anging, keinen Schritt weitergekommen. Auch wenn es Daeron war, glaubte sie seine Geschichte. Es passte zu ihm, seinem Bruder und ihrer Mutter. Vinae war hier im tiefsten Inneren des unterirdischen Reiches des Sonnentals, und von Aurüns Volk war keine Spur zu finden – bis auf diese armen Seelen, die seit Jahrhunderten gequält wurden. Sie musste etwas unternehmen. Doch was konnte sie tun, ohne andere in Gefahrzu bringen? Daeron war nicht dumm. Er würde jeden Befreiungsversuch sofort durchschauen, genauso wie bei Gregoran.
»Verzeiht mir.« Vinae bemühte sich, wieder aufzusehen. »Ich bin müde. Ich möchte in mein Gemach.«
»Natürlich.« Daeron wies in den hell erleuchteten Gang. »Dieser Weg ist bestimmt angenehmer als diese dunklen Bauten, die niemand mehr benutzt.«
»Ja.« Sie würde sich jeden Schritt merken, um zurückzufinden. »Ich bin froh, dass Ihr mich gefunden habt.«
»Vinae.« Er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, so dass sie gezwungen war, ihn anzusehen. »Wir leben in keinem Märchen«, sagte er in einem Ton, als wolle er sie trösten. »Als Fürst trage ich Verantwortung. Es gilt, das Land und seine Bewohner zu beschützen und sie zu verteidigen, wenn nötig. So wie jetzt. Dazu bin ich manchmal zu Taten gezwungen, die auf den ersten Blick grausam erscheinen, aber wenn du älter bist, wirst du verstehen, dass sich Gewalt nicht immer vermeiden lässt. Diese Welt funktioniert nun einmal auf diese Weise. Die Starken vernichten die Schwachen, und wir können nichts anderes tun, als uns diesem Gesetz zu beugen und zu versuchen, zu den Starken zu zählen.« Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange, was sie reglos hinnahm. Sie kannte seine Phrasen allesamt auswendig. »Für dich ist alles noch schwarz oder weiß«, fuhr er mit einem Lächeln fort, das nichts von seiner gemeinen Seele preisgab. »Gut oder böse. Du wirst sehen, dass die Welt viel bunter sein kann.«
Vinae schob ihre Schultern etwas zurück und hob ihren Kopf, um ihm tief in die Augen zu sehen. »Keine Sorge, Fürst Daeron«, sagte sie mit all ihrer Bitterkeit. »Ich glaube schon lange nicht mehr an Märchen.«
Vom nächsten Tag an wurde sie von zwei neuen Schlangenschilden bewacht.
Das Haus wirkte leer, was seltsam war, schließlich war niemand gegangen. Rosa, die Zwillinge und all die vielen Bediensteten waren immer noch hier. Einzig Ardemir brachte gemeinsam mit Aurün die Heilerin zurück nach Lurness, sie würden jedoch bald zurückkehren. Nevliin war unauffindbar, aber auch er konnte nicht weit sein, schließlich hatte er keinen Schlüssel zum Weltentor.
»Wo sind die Mädchen?«, fragte Eamon, als er zu Rosa an den Kamin trat und ihr einen Kuss auf die Stirn gab. Er war nervös, solange Nevliin sich in ihrer Nähe aufhielt, was ihn gleichzeitig schmerzte. Auch wenn an seinem Körper dank der Heilerin nicht ein Kratzer
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