Elfenkrieg
und sah sie an. »Du bist dir sehr sicher. Dann bitte! Ich teile deine Meinung. Ich war lange genug hier. Und niemand soll jemals erfahren, dass du es warst, die mich befreit hat, schöne Seele.«
Vinae ließ sich den kurzen Moment der Verwirrung nicht anmerken, auch wenn er ihn wohl ohnehin gespürt hatte. Stattdessen ging sie auf einen der Kristalle zu und wollte ihn mit dem Fuß fortschieben. Im letzten Moment hielt sie jedoch inne. »Bevor ich Euch gehen lasse«, sagte sie und drehte sich zu Gregoran um, der vor der Zellentür stand, »müsst Ihr mir ein Versprechen geben.«
»Ein Versprechen, schöne Seele?«
»Ihr müsst mir versprechen, Meara Thesalis nichts anzutun. Ich weiß, Ihr sinnt auf Rache, doch ich bitte Euch: Lasst sie sein! Ihr werdet frei sein. Geht Eurer Wege und kommt nicht zurück.«
Gregoran durchbohrte sie einen Moment lang mit seinem Blick, ehe er nickte. »Ich verspreche dir, schöne Seele, ich werde der Frau Thesalis kein Haar krümmen. Und wenn du jetzt so freundlich wärst.« Er wies mit der Hand zum Kristall.
Vinae spürte seinen drängenden Blick wie eine Klinge in ihrem Rücken, als sie sich wieder dem leuchtenden Stein zuwandte.Gregoran war unschuldig. Sie glaubte ihm. Er würde sterben, wenn sie es nicht tat. So viele vor ihm hatte sie bereits befreit. Sie würde ihn durch den geheimen Durchschlupf zum Marktplatz in Sicherheit bringen. Sie vertraute ihm. Oft hatten sie lange Gespräche geführt, und auch wenn er durch die Zeit der Gefangenschaft etwas sonderbar geworden war, konnte dies doch kein Grund sein, ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen. Sie vertraute ihm.
Vinae stieß den Kristall mit der Fußspitze an. Das Knirschen am rauen Steinboden hallte unnatürlich laut durch das Gewölbe, als sie die magische Barriere von der Zelle fortschob und den Zauber damit brach.
Mit angehaltenem Atem drehte sie sich zu Gregoran um, der jede ihrer Bewegungen in deutlicher Anspannung verfolgte. »Der Bann ist gebrochen«, sagte sie aus rauer Kehle und öffnete die Zellentür, welche noch nicht einmal richtig abgeschlossen war.
Gregoran stand vor ihr. Weder Metall noch Magie trennten sie noch voneinander. Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen. Bis auf den Donner ihres Herzens in den Ohren war es totenstill. Das Leuchten seiner Augen wurde intensiver.
Im nächsten Moment hüllte sie Dunkelheit ein. Das Licht der Kristalle erlosch vollkommen, jetzt, wo die Ordnung des Zaubers gestört war, und gleichzeitig erklang plötzlich ein schriller Ton, der durch die gesamte Tunnelanlage zu hallen schien.
»Sie wissen es«, keuchte Vinae und sah sich in der Finsternis um. »Sie müssen die Kristalle mit einem Zauber belegt haben.« Jetzt zählte jeder Augenblick. Sie mussten hier fort! »Schnell! Kommt!«
Undeutlich erkannte sie, wie Gregoran einen Schritt auf sie zuging und plötzlich schwankte. Die Gefangenschaft hatte ihnzu sehr geschwächt. Er würde es nicht bis aus der Stadt schaffen.
»Kommt.« Sie streckte ihre Hände nach ihm aus, um ihn zu stützen.
»Fass mich nicht an!« Ein Knurren erfüllte die Dunkelheit bis in den letzten Winkel des Gewölbes. Er wich zur Seite aus und stieß gegen die Gitterstäbe.
Nein. Er stolperte durch sie hindurch.
Vinae erstarrte. Unfähig, zu denken, sah sie ihm in die goldenen Augen, deren Pupillen noch schmaler wurden, wie die einer Raubkatze.
»Lauf«, drang die ruhige Stimme zu ihr. »Lauf und sieh nicht zurück.«
Ihr Körper war wie gelähmt. Er war durch das Metall hindurchgeglitten.
»Lauf, Vinae!«
Der Klang ihres Namens ließ sie zurücktaumeln. Wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben, drehte sie sich um und lief los. Mit den Händen tastend, stürmte sie durch die Dunkelheit und riss die Tür auf.
Rufe und das Klirren von Rüstungen mischten sich mit dem kreischenden Ton des Alarms, doch Vinae kümmerte es nicht. Sie lief einfach weiter, dem Lärm entgegen, stolperte über den Saum ihres Kleides, behielt ihr Gleichgewicht und torkelte weiter. Er kannte ihren Namen! Er wusste, wer sie war. Das Geschlecht der Thesalis wird ausgelöscht, ausnahmslos.
Ihre Füße berührten kaum noch den Boden, als sie durch den Tunnel stürzte.
Etwas war hinter ihr. Sie spürte es. Es streckte sich ihr entgegen. Heiß und sengend, wie eine Feuerwelle, die durch die Dunkelheit rauschte.
Vinae keuchte, ein Wimmern mischte sich in ihre schnellenAtemzüge. Die Hitze zerrte an ihrem flatternden Umhang, hielt sie zurück und verlangsamte
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