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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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den Augenblick, in dem Ganda die Lider aufschlug. Niemand wusste zu sagen, welchen Schaden ihr Verstand genommen hatte. Anfangs hatte auch ihr Atem ausgesetzt. Sie war dem Tod so nahe gewesen!
    Der Schwertmeister machte sich schwere Vorwürfe. Sie war zu ihm gekommen und hatte ihn in seinem Wahn wachgerüttelt. Und wie hatte er es ihr gedankt? Er hatte sie im Stich gelassen. Hatte nicht darauf gehört, was sie von ihm wollte. Dabei schien sie die Wahrheit entdeckt zu haben. Anders war nicht zu erklären, was geschehen war. Ihr verborgener Feind hatte der Lutin eine perfide Falle gestellt. Ollowain hatte gehört, dass Ganda in Begleitung zu ihrer Kammer gekommen war. Eigentlich hatte er sich noch einmal bei ihr bedanken wollen, aber dann hatte er entschieden zu warten und die Lutin nicht zu stören. Ihr Begleiter schien Ganda so sehr bedrängt zu haben, dass sie den Riegel vor ihre Tür gelegt hatte. Auch das war Teil des bösartigen Plans gewesen. Dem Apfelwein in ihrer Karaffe war starker Branntwein beigemischt worden. Die Lutin hatte sich betrunken in ihr Bett legen sollen. Zu benommen, um zu bemerken, dass dort der Tod auf sie lauerte. Und falls sie doch noch dazu gekommen wäre, um Hilfe zu rufen, hatte die versperrte Tür garantieren sollen, dass jede Rettung zu spät kam.
    »Vergrabe dich nicht in Selbstvorwürfen, Ollowain!« Die Stimme ließ den Schwertmeister auffahren, obwohl ihr warmer Klang ihm in den letzten Tagen wohl vertraut geworden war. In der Tür zu Gandas Kammer stand eine Gestalt in langer schwarzer Kutte, das Gesicht im Schatten einer Kapuze verborgen. Als Ollowain ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war Meister Reilif ihm wie ein lebendes Abbild des Todes vorgekommen. Und ausgerechnet diese düstere Gestalt war es, die sich wie kein anderer unter den Hütern des Wissens auf die Leiden des Leibes und der Seele verstand. Seine magischen Kräfte waren nur schwach, er konnte keine Wunder vollbringen. Doch sein Wissen suchte seinesgleichen. Es gab tausende Bücher und Schriftrollen über Heilkunst, Anatomie, Gifte und Krankheiten in der Bibliothek. Hunderte davon kannte er auswendig. Er war der Überzeugung, dass der Alkohol, der Ganda zum Verhängnis hatte werden sollen, sie letztlich gerettet hatte, weil sich das Gift in ihrem Körper nicht so schnell ausgebreitet hatte, wie es eigentlich hätte geschehen müssen.
    Ollowain war hingegen der Meinung, es habe daran gelegen, dass die Knochenviper eigentlich schon lange tot gewesen war und ihr Gift deshalb an Kraft verloren hatte. Mit finsterer Magie war ihr Leben eingehaucht worden, um ein anderes Leben zu vernichten.
    »Du hast jetzt seit fünf Tagen und fünf Nächten nicht geschlafen, Ollowain. Was glaubst du, wie lange du noch durchhalten kannst? Ganda ist außer Gefahr. Erlaube mir, dich bei deiner Wacht an ihrem Lager abzulösen.« Reilif sprach mit leiser, freundlicher Stimme, die in scharfem Gegensatz zu seinem unheimlichen Äußeren stand. Doch Ollowain traute ihm nicht. Nie war Reilifs Gesicht ganz zu sehen. Außer Kinn und Mund blieb alles im Schatten seiner Kapuze verborgen.
    Der Schwertmeister hatte inzwischen eine Vorstellung von ihrem Feind. Es musste ein Magier sein, der die verderbten Zauber der Gestaltwandlung beherrschte. Eine Spielart der Magie, die fast überall in Albenmark mit Abscheu betrachtet wurde und mit Acht und Bann belegt war. Gandas Worte über die Devanthar hatten ihn auf diese Spur gebracht, und es gab eine Reihe von Hinweisen, die seinen Verdacht stützten. Deshalb konnte er ihr Lager nicht verlassen. Ihr Feind vermochte jede denkbare Gestalt anzunehmen. Wer wusste schon, ob der Hüter des Wissens wirklich Meister Reilif war? »Ich komme zurecht«, antwortete der Elf müde. »Ich danke dir für dein Angebot.«
    Reilif seufzte. »Ich hoffe, dir ist klar, wie töricht du dich verhältst. Ich weiß um deine Furcht. Irgendwann wirst du jedoch wieder jemandem vertrauen müssen, Ollowain. Was du tust, ist edel, aber unvernünftig. Ebenso wie es edel und unvernünftig war, die Wunde des Schlangenbisses aufzuschneiden und zu versuchen, das Gift herauszusaugen. Damit hast du dich nur beinahe selbst umgebracht.«
    »Mir geht es gut«, beharrte der Schwertmeister mit tonloser Stimme.
    »Ja, weil du Glück hattest. Gifte bringen einen Elfen nicht so schnell um wie eine Lutin.«
    »Bitte, Meister, ich will darüber jetzt nicht reden.« Ollowain fühlte sich viel zu erschöpft, um einem Streitgespräch gewachsen sein. Alles, was

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