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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Walbeinnadel versteckt gewesen waren. Natürlich war dort nichts.
    Ihr ging auf, dass das verzauberte Buch vom ersten Tag an im Weg gelegen hatte. Eigentlich hätte sie es zur Seite schieben müssen, um vernünftig an dem Tisch zu arbeiten. Nur ihre Scheu vor der magischen Aura des Folianten hatte sie davon abgehalten. Darauf musste der Mörder gewartet haben. Durch den Schleier hatte er sie die ganze Zeit, während er mit Ollowain gespielt hatte, beobachten können. Er hatte darauf gewartet, dass sich das Buch unter ihrer Berührung öffnete.
    Ganda dachte an die wenigen Zeilen, die sie in dem Folianten gelesen hatte. Er durfte nicht in die falschen Hände geraten! Hier in der Bibliothek von Iskendria war er nicht mehr sicher. Ganz gleich, was die eingebildeten Hüter des Wissens für Gesetze hatten: Das Buch musste fort von hier! Aber es war zu groß, um es zu verstecken.
    Warum hatte der Mörder es noch nicht fortgeschafft? Er hatte doch fünf Tage Zeit gehabt. Konnte er es vielleicht nicht einmal anfassen? War der Zauber dieses Buches stark genug, um sich zu schützen? Die Vorstellung ließ Ganda zufrieden schmunzeln. Sie malte sich aus, wie den Mistkerl ein Blitzschlag getroffen hatte, als er seine blutigen Finger nach dem Objekt seiner Begierde ausgestreckt hatte. Aber das war sicher übertrieben. Wahrscheinlich war es dem Mörder einfach nur unangenehm, das Buch zu berühren, und es öffnete sich eben nicht unter seiner Hand.
    Dennoch konnte der kostbare Foliant nicht hier bleiben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Mörder einen arglosen Besucher der Bibliothek fand, der für ihn Melianders Buch aufschlagen konnte.
    Ganda bemerkte eine Lederhülle auf dem Holzständer für Schriftrollen, an die sie sich nicht erinnern konnte. Auf dem ledernen Zylinder waren seitlich drei schwarze Siegel angebracht, von denen schmale Pergamentstreifen mit merkwürdigen Runenzeichen hingen. Neugierig nahm die Lutin den Behälter an sich und öffnete ihn. Eine Schriftrolle aus seltsam grauem Pergament glitt hinaus. Es fühlte sich unangenehm zwischen den Fingern an, und Ganda hatte das Gefühl, dass es nicht aus einer Tierhaut gefertigt war. Der Text war in schnörkellosen, kleinen Buchstaben geschrieben. Die letzten Zeilen wurden immer kleiner, und die Buchstaben drängten sich dichter und dichter, als habe der Verfasser unbedingt all sein Wissen auf dieses einzelne Blatt Pergament bringen wollen. Ganda überflog die ersten Zeilen.
    »Willst du das Grauen unter deine Feinde tragen und ihren Mut dahinschmelzen lassen wie Schnee im Sommerlicht, dann erschaffe die Shi-Handau. Keine Waffe Albenmarks vermag sie zu töten. Allein die Träger eines Albensteins haben die magische Macht, sie zu bannen. Doch sei gewarnt! Dies ist ein Zauber, der große Macht und eisernen Willen erfordert, sonst werden die Geschöpfe, die du rufst, sich gegen dich wenden. Wähle unter deinen Gefährten einen Mann von unverbrüchlicher Treue aus, der aber dennoch entbehrlich ist. Und suche einen zweiten, der zu dumm ist, um wirklich nützlich zu sein. Dann ...« Es folgten genaue Anweisungen zu Bannkreisen und Zauberformeln. Es ging um Blutmagie. Mit ungläubigem Entsetzen las Ganda, wie ein geisterhafter Hund erschaffen wurde, in dem sich ein Yingiz und der Gefährte von unverbrüchlicher Treue miteinander verbanden. Das war die Gestalt, nach der Galawayn so eindringlich gefragt hatte. Das geisterhafte Geschöpf, das Angst in die Reihen der Verteidiger von Phylangan getragen hatte! War es dem Mörder um dieses Wissen gegangen? Und hatte er die Schriftrolle zurückgelassen, um Ganda zu zeigen, dass er zuletzt triumphiert hatte?
    Die Lutin wollte nicht glauben, dass es nicht um Melianders Buch gegangen war. Hastig schob sie die Schriftrolle in ihre Lederhülle und legte sie zurück auf den Stapel. Dann drehte sie sich zu dem niedrigen Tisch um.
    Warum war dieses verfluchte Buch nur so riesig und schwer! Ganz gleich, welche Strafe drohte, sie würde es stehlen, wenn es nur die geringste Aussicht gäbe, es unbemerkt aus der Bibliothek zu schaffen.
    Mit den Fingerspitzen strich sie über das weiche Leder. Nicht einmal Ollowain könnte das Buch unter seinen Gewändern verstecken, ohne dass es auffiele.
    Hellblaues Licht troff von den grauen Steinen. Erschrocken zog Ganda die Hand zurück. Was hatte sie getan? Hastig stellte sie sich so, dass sie mit ihrem Leib das Buch vor den Blicken ihrer Begleiter abschirmte, falls einer der beiden in ihre Richtung

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