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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Ganda die Augen der Kobolde und stellte erleichtert fest, dass sie nicht blau waren. Nur beim Hü
    ter des Wissens konnte man nicht sicher sein. Seine Augen blieben im Schatten der Kapuze verborgen. In seiner schwarzen Kutte sah er aus wie ein lebendig gewordener Schatten. Wie das, was sie bekämpfen sollten. Ein Yingiz.
    In aller Ruhe tastete Reilif die beiden Toten ab. Seine blassen, schlanken Finger glitten wie Spinnenbeine über die ausgedorrten Leiber. Dann drückte er dem Kobold auf den Brustkorb, woraufhin Qualbam eine zähe, bräunliche Flüssigkeit aus dem Mundwinkel troff.
    »Der Beleuchter ist noch nicht sehr lange tot«, erklärte Reilif und richtete sich auf. »Ich denke, er starb erst vor wenigen Tagen. Was ihn umbrachte, ist schwer zu sagen. Ich konnte keine äußerlichen Verletzungen feststellen. Der Sand hat seinen Leib noch nicht sehr stark ausgetrocknet.« Der Hüter des Wissens deutete nun auf Galawayn. Die Gestalt des Elfen war zusammengekrümmt. Seine Gewänder waren voll von getrocknetem Blut. »Ihn tötete ein Dolchstoß in die Kehle. Dann hat ihm sein Mörder unbegreiflicherweise die Haut von den Händen abgezogen. Der Sand hat Galawayns Leib stark ausgetrocknet. Dennoch habe ich das Gefühl, dass auch er noch nicht länger als einige Tage tot ist.«
    »Warum?«, fragte Ollowain.
    »Vor zehn Tagen war die letzte Versammlung der Hüter des Wissens. Galawayn saß mir gegenüber. Ich hätte bemerkt, wenn jemand anderes versucht hätte, seine Rolle zu spielen. Offenbar ist der Mörder genau aus diesem Grund gestern der Versammlung fern geblieben. Galawayn fehlte. Unentschuldigt«, fügte er noch hinzu, als verschlimmere diese Tatsache das Verbrechen noch.
    »Ich fand nicht, dass er sich sehr auffällig benommen hat«, sagte Ollowain.
    Ganda traute ihren Ohren nicht! Dieser Mistkerl, der Galawayns Gestalt angenommen hatte, hatte den Schwertmeister in tiefste Verzweiflung gestürzt, und Ollowain fand das nicht auffällig? Elfen!
    »Du kanntest ihn doch gar nicht«, sagte Reilif überraschend scharf. »Wie willst du beurteilen, ob er sich verändert hat?«
    »Ich sagte, dass er sich nicht auffällig benahm«, entgegnete Ollowain mit aufreizender Ruhe und kniete neben dem toten Elfen nieder. »Was ist mit seinen Händen geschehen?«
    Während der Schwertmeister und Reilif den Leichnam näher betrachteten, zog Ganda sich zurück. Sie war noch sehr schwach auf den Beinen und fühlte sich ein wenig schwindelig. Doch während die Kobolde an der Düne gegraben hatten, hatte sie darauf bestanden, von Ollowain abgesetzt zu werden. Es war ihr plötzlich peinlich gewesen, wie ein Kind getragen zu werden.
    Die Hitze im Saal des Lichts machte ihr zu schaffen. Mit unsicheren Schritten zog sie sich zum Zelt zurück. Seit sie erwacht war, war sie mit Ollowain keinen Augenblick allein gewesen. Meister Reilif wich nicht von ihrer Seite. Und dass man seine Augen nicht sehen konnte, machte ihr Angst.
    Ganda betrachtete das große Buch mit den Messingbändern, das noch immer auf dem niedrigen Lesetisch lag. Es schien nicht von der Stelle bewegt worden zu sein, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. »Es geht um dich, nicht wahr?«, sagte sie, als könne das verzauberte Buch ihre Worte verstehen. »Du öffnest dich nicht für den Mörder. Deshalb hat er Galawayn die Haut von den Händen abgezogen. Er wollte dich mit den Handschuhen, die sich wie die Hände des Elfen anfühlten, überlisten.«
    Die Handschuhe lagen noch immer auf dem Tisch. Angewidert wandte Ganda den Blick ab. Hinter dem durchsichtigen Schleier stand der Falrach-Tisch. Es kam ihr so vor, als stünden auf dem Spielbrett jetzt weniger Figuren. Was mochte der Mörder in den letzten fünf Tagen wohl getan haben? Die Lutin war sich sicher, dass er nicht geflohen war. Sie sah hinüber zu der flachen Düne, die zu Galawayns Grabhügel geworden war. Ollowain und Reilif sprachen noch immer miteinander. Wenn sie nur Reilifs Augen hätte sehen können! Offenbar vermochte der Mörder die Gestalt seiner Opfer anzunehmen. Nur seine Augen schien er nicht verändern zu können.
    Gandas Blick schweifte durch das Zelt. Gab es irgendeinen Hinweis? Hatte der Mörder etwas mitgebracht, das auf sein wahres Gesicht hinwies? Hatte jemand, der seine Gestalt verändern konnte, überhaupt noch ein wahres Gesicht? Oder verlor er sich mit der Zeit in all den Körpern, die er gestohlen hatte?
    Die Lutin blickte unter den niedrigen Tisch, wo am Tag ihrer Ankunft das Garn und die

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