Elfenlicht
freundlich zu. Wie alle Kentauren überragte er den Elfen um mehr als eine halbe Mannlänge. Der Fürst hatte eine breite Nase, der man ansah, dass sie schon mehrmals eingeschlagen worden war. Durch seine linke Braue lief eine feine weiße Narbe. Ein zerzauster blonder Bart rahmte sein eckiges Gesicht. Der Kentaur hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ollowain hätte sein Schwert darauf verwettet, dass der Fürst den größeren Teil der Nacht mit einem Saufgelage verbracht hatte. Ein breiter, goldbeschlagener Schwertgurt lief über die Brust des Pferdemannes, und an seinem linken Oberarm war ein Dolch festgegurtet. Der Fürst grinste Ollowain jetzt breit an. Der Schwertmeister hatte den Eindruck, dass der Kentaur sich sehr zusammenreißen musste, um nicht herüberzukommen, ihn in die starken Arme zu schließen und sich an die Brust zu drücken. Sie hatten gemeinsam in Phylangan gefochten, ebenso wie Graf Fenryl, den die Niederlage in der Snaiwamark heimatlos gemacht hatte. Der Elfengraf hielt seinen Falken auf der Linken. Der schneeweiße Raubvogel mit seinen warmen Bernsteinaugen begleitete den Elfen wie ein Schatten. Ollowain wusste, dass Fenryl einen besonderen Bund mit dem Raubtier eingegangen war. Manchmal stieg die Seele des Grafen auf den weißen Schwingen in den Himmel hinauf. Sie flogen gemeinsam, um den Feind zu beobachten oder zu jagen.
Mit seinen warmen, hellbraunen Augen, den vollen Lippen und dem ungebändigten lockigen Haar wirkte der Graf weniger abweisend als die übrigen Elfenfürsten, die Ollowain kühl musterten. Die Mehrheit von ihnen begegnete ihm mit Skepsis. Einmal abgesehen von Shandral waren sie alle erfahrene Krieger. Und der Schwertmeister war sich sicher, dass die meisten von ihnen insgeheim der Überzeugung waren, sie könnten das Oberkommando genauso gut ausüben wie der Günstling der Königin.
Ollowain gab Obilee ein Handzeichen, und die Kommandantin seiner Eskorte ließ Melvyn in das Zelt führen. Die Augen des Halbelfen sprühten vor Zorn. Eiserne Fesseln umschlossen seine Handgelenke.
Der Schwertmeister wandte sich den versammelten Fürsten zu. Ihm entging nicht das selbstgefällige Lächeln Shandrals. Der Fürst von Arkadien verbuchte die Verhaftung Melvyns wohl als einen Sieg, doch in dieser Angelegenheit war noch nicht das letzte Wort gesprochen.
»Fürsten von Albenmark, ich halte mich nicht mit langen Vorreden auf. Ich denke, ihr alle kennt mich. Mit vielen von euch habe ich bereits Seite an Seite gefochten, und es macht mich stolz, an diesem Morgen das Kommando über die Besten unter den Kriegern Albenmarks zu übernehmen. Fürst Elodrin wird künftig mein Stellvertreter sein. Als Oberbefehlshaber der Flotten der Königin wird er von nun an die Sicherung des Mika organisieren, damit es den Trollen nicht gelingt, diese Grenze schon vor dem ersten Frost zu überschreiten.«
Ollowain versuchte in den Gesichtern der Fürsten zu lesen, wer auf Elodrins Seite stand, doch die Elfen waren zu beherrscht, um sich ihre Gefühle anmerken zu lassen. Die Kentauren hingegen gaben sich nicht die geringste Mühe, ihre Freude zu verbergen. Elodrin galt als ein strenger Befehlshaber, als ein Mann von eiserner Disziplin. Ollowain war sich sicher, dass es zwischen Elodrin und den Kentauren ständig Reibereien gegeben hatte. Die Pferdemänner waren berüchtigt für ihre Zechgelage und für ihren rebellischen Geist. Ein Mann wie Elodrin sah in ihnen vermutlich nicht mehr als eine Bande von Viehdieben, die bestenfalls als Späher taugten, nicht aber als wertvolle Krieger in einer großen Feldschlacht oder gar einer Belagerung.
»Ich denke, jedem der Anwesenden ist klar, dass wir bei allem Heldenmut einer sicheren Niederlage entgegensehen, wenn die Trolle im Winter den Mika überschreiten. In Phylangan und Reilimee haben sie bewiesen, dass sie selbst Festungen überwinden können. Wir sind ihnen an Zahl unterlegen, und Feylanviek hat keine Verteidigungsanlagen. Wenn wir uns sehr gut schlagen, werden wir vielleicht drei Tage durchhalten. Wenn es uns nicht mehr gibt, hat Albenmark seinen Schild verloren. Nichts wird die Fürstentümer mehr vor dem Zorn der wütenden Horden bewahren. Die Trolle werden vielleicht an der Shalyn-Falah noch einmal auf Widerstand treffen, doch auch dort wird man sie wohl kaum noch aufhalten können.«
»Was soll dieses feige Gequatsche?«, polterte der Minotaurenfürst los. Sein Stierkopf war mit borstigem weißem Haar bedeckt. Auf seine breite rosa Schnauze waren blaue
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