Elfenlicht
eine Attacke von tausend Kentauren aufhalten kann? Seid ihr bereit dazu? Folgt ihr mir?«
»Wir folgen dir, Schwertmeister!«, schallte es aus hunderten von Kehlen. Jetzt drängten alle nach vorne. Jeder wollte Ollowain berühren, ihm auf die Schulter klopfen oder ein paar Worte mit ihm wechseln. Sie hoben ihn aus dem Sattel und ließen ihn auf ihren hoch über die Köpfe gestreckten Handflächen gehen. Elegant wie ein Tänzer bewegte sich der Feldherr auf dem schwankenden Grund. Und er genoss das Bad in der Menge.
Einen Augenblick lang vergaß er sogar sein schlechtes Gewissen. Doch das währte nicht lange. Es war gut, dass die Kentauren seinem Oberbefehl nun williger folgen würden. Und sie würden härter kämpfen, weil sie seinen Worten glaubten und einen Sieg für möglich hielten. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass ihm nur noch vier Tage zu leben blieben. Er musste einen Nachfolger finden. Jemanden, der fähig war, die Strategie des Rückzugs in den weiten Raum des Windlands so umzusetzen, dass Emerelles Verbündete letztlich über die Trolle triumphieren würden.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Orimedes und seine Leibwache es schafften, Ollowain wieder in den Sattel zu heben und gegen die begeisterten Krieger abzuschirmen.
Der Kentaurenfürst lachte ihn an. »Das ist besser als das Beste, was einem ein Weib zu bieten hat!«
»Es war ein gutes Gefühl«, stimmte er zu.
»Ach komm, gutes Gefühl. Das ist vollkommen. Das ist...«
»Du bist bei Shandral zu weit gegangen. Er hätte tot sein können.« Ollowain sprach leise und blickte misstrauisch zu Elodrin und den anderen Elfen. Sie standen etwas abseits und plauderten mit Katander.
Orimedes runzelte ärgerlich die Stirn. »Es war deine Idee, dem Mistkerl eine Abreibung zu verpassen. Und genau die hat er bekommen. Vergiss es! Ist er es wert, dass wir über ihn streiten?«
»Ich mache mir Sorgen, dass ...« Orimedes winkte einem Krieger, der ihnen zwei silberne Kelche mit Wein brachte. »Komm, vergiss den Kerl. Trink! Das ist bester Roter aus einer kleinen Bucht bei Vahlemer. Eigentlich viel zu weit nördlich, um noch Wein anzubauen, aber eine Strömung geht dort an der Küste entlang, und das Klima ist wunderbar mild. Koste ihn, du wirst keinen besseren Wein als diesen zu trinken bekom
men. Er ist sein Gewicht in Silber wert.« Der Kentaur hob den Kelch und nickte Ollowain zu. »Auf den Sieg!«
»Auf die, die zurückkehren werden«, entgegnete der Schwertmeister.
Orimedes seufzte. »Hast du wieder eine deiner Stimmungen? Freust du dich denn gar nicht, hier zu sein?«
Was sollte er dazu sagen?, dachte der Schwertmeister bitter. Er war auf dem Weg in eine Schlacht, aus der er nicht wiederkommen durfte. Und er war es Emerelle schuldig, dass er niemandem dieses Geheimnis anvertraute. Also zwang er sich zu lächeln. »Es tut gut, dich wiederzusehen und mit dir zu reden.«
»Na also! Geht doch. Ich verspreche dir, dieser Rote wird deine Trübsal davonspülen. Und was den Feldzug ...« Orimedes schob sich plötzlich an ihm vorbei. »Heh, Nestheus, hierher!«
Der junge Kentaur, der den Ball zu Shandral geworfen hatte, kam zu ihnen herüber. Neben ihm ritt Melvyn. Beide grinsten wie kleine Jungen, denen gerade ein Streich geglückt war. Der Wolfself ließ den Ball lässig an seinem Seil kreisen.
»Haben wir gewonnen?«, rief Orimedes ihnen entgegen.
»Haben wir!« Nestheus hatte die Lippen eingeschlagen, und seine Flanken waren von Schürfwunden und üblen Prellungen gezeichnet. »Melvyn hat den Ball über die Linie gebracht.«
Der Elf sah nicht besser aus als der Kentaur. Auch er hatte einiges abbekommen, was ihn aber nicht weiter zu stören schien.
Ollowain betrachtete die beiden und wünschte sich, noch einmal so jung und frei zu sein. Bei einem Ballspiel alle Übel dieser Welt vergessen zu können, das war beneidenswert. Dennoch würde er Melvyn in dieser Nacht nicht aus den Augen lassen.
DIE WAHRHEIT
Obilee hatte sich immer für sehr langmütig gehalten. Als aber Shandral endlich auf ein Lager in seinem großen Stadthaus gebettet wurde, war sie mehr als nur erleichtert. Der Fürst war während des Transports aus seiner Ohnmacht erwacht und hatte den Rückweg stöhnend und fluchend hinter sich gebracht. Wobei seine Flüche selbst die hart gesottenen Kentauren sichtlich eingeschüchtert hatten.
»Du gestattest, dass ich mich ein wenig in deinem Haus umsehe, Fürst? Unser Feldherr ist um deine Sicherheit besorgt, und ich bin verantwortlich für
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