Elfenlicht
Melvyn verschwunden blieb. Der Schwertmeister wandte sich an Obilee. »Bring Shandral zurück in seinen Palast! Ich werde dafür sorgen, dass du eine Eskorte aus Kentaurenkriegern bekommst, die noch nüchtern sind. Und bleib so lange an der Seite des Fürsten, bis du schriftlich von mir den Befehl bekommst, den Palast wieder zu verlassen.«
»Du glaubst doch nicht etwa ....«
»Wenn Melvyn tut, was ich befürchte, dann haben wir einen Krieg in unseren eigenen Reihen, und das Heer wird morgen nicht aufbrechen. Pass auf Shandral auf! Beschütze ihn mit deinem Leben, auch wenn du ihn nicht magst.« Ollowain löste sich von der Gruppe und ritt Orimedes entgegen. Ohne abzu
steigen, schloss er den Kentaurenfürsten in die Arme.
Ein neuer Ton kam in die Jubelrufe der Pferdemänner.
Ein großer, narbenbedeckter Krieger brach aus den Reihen der Kentauren. Er preschte Ollowain entgegen. »Erinnerst du dich an mich, Schwertmeister?«
Wie sollte er ihn vergessen haben! Was für alle hier fünfzehn Jahre zurücklag, war für ihn erst vor wenigen Monden geschehen. Der Schwertmeister packte das Handgelenk des Kriegers. »Ich vergesse niemals einen Helden!«, rief er mit lauter Stimme. »Senthor, dieser Dickschädel hier, wollte selbst dann, als wir schon mit dem Rücken zu den Toren des Himmelshafens standen, nicht einsehen, dass Phylangan verloren war. Er war einer der Letzten, der die Festung verließ. Es tut gut, dich zu sehen.« Dabei sah Senthor zum Erbarmen aus. Er war alt geworden. Das Leben in der Steppe hatte ihn ausgezehrt. Die Rippen stachen durch sein Fell. Mit ihm würde man keine Schlacht mehr gewinnen.
Dem alten Kentauren standen Tränen in den Augen. »Du bist einer von uns, Schwertmeister. Du hast mir das Leben gerettet bei den Kämpfen an den Barrikaden. Das werde ich dir nie vergessen. Ein Wort von dir, und ich sterbe für dich.«
Ollowain konnte sich nicht erinnern. Die Kämpfe in den Tunneln von Phylangan waren so mörderisch und unübersichtlich gewesen, dass sie alle sich ständig gegenseitig gerettet hatten oder aber füreinander gestorben waren. »Ich hab dich doch nicht gerettet, damit du bei der nächsten Gelegenheit dein Leben fortwirfst, Senthor. Begleite mich hinaus in die Steppe, wenn es so weit ist, und töte einen Troll für mich. Das ist alles, was ich von dir erwarte. Ich will den Senthor dort draußen sehen, der schon in Phylangan Seite an Seite mit mir gekämpft hat.«
Der Kentaur langte mit beiden Händen nach seinem Kopf. Feuchter Atem, der nach Anis stank, schlug Ollowain entgegen. Senthor küsste ihn auf die Lippen.
Der Schwertmeister ließ den Gefühlsausbruch über sich ergehen. Als der Kentaur ihn wieder losließ, zog er seine Waffe und reckte die Klinge dem Himmel entgegen. »Mit tausend Kriegern wie dir würde ich die Trolle vor den Toren Feylanvieks aufhalten, Senthor.« Er machte eine Pause und blickte in die bärtigen Gesichter der Kentauren rings herum. Harte Gesichter, von Wind und Sonne gezeichnet, vom entbehrungsreichen Leben in der Steppe. Gesichter, in denen stolze Augen glühten. »Aber ich sehe hier mehr als tausend von deinem Schlag, Senthor.« Der Schwertmeister dachte an die Reden Lambis, eines Fjordlandjarls, der mit ihm gekämpft hatte. Mit seinen frechen Sprüchen hatte er selbst in verzweifelter Lage stets die Herzen der Krieger gewonnen. »Du scheinst einer Menge Stuten nachgestiegen zu sein in der Zeit, in der ich fort war. Ich sehe hier mehr als tausend Krieger von deinem Schlage. Und deshalb sage ich: Schluss mit der Warterei! Gehen wir zu den Trollen. Lasst sie eure Hufe schmecken! Und wenn wir fertig sind mit ihnen, das verspreche ich, dann werden sie selbst in hundert Jahren nicht wagen, noch einmal einen Fuß auf die Steppen des Windlands zu setzen!« Ollowain deutete auf einen rothaarigen Krieger mitten im Gedränge, der noch nicht in die Jubelrufe eingestimmt hatte. »Bist du dabei, wenn wir es den Trollen zeigen?«
»Ja, Mann ...«, stieß er verlegen hervor.
Der Schwertmeister wandte sich an den nächsten. »Und du? Hast du den Mumm, dem Angriff eines Trolls entgegenzublicken und zu warten, bis du das Weiße in seinen Augen siehst, bevor du deinen Bogen hebst, oder möchtest du lieber hier bleiben und Büffel hüten?«
»Ich komme mit dir, Schwertmeister!«, rief der Krieger begeistert.
Ollowain machte eine weit ausholende Geste. »Und wie sieht es mit euch aus? Wollt ihr meinen Elfenkriegern zeigen, dass es nichts in dieser Welt gibt, das
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