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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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wird auch dann keines überleben, wenn du nicht den Mut findest, sie zu töten.«
    »Genug!«
    »Nein, Emerelle. So leicht lasse ich mir nicht den Mund verbieten. Ich gehöre nicht zu deinen Speichelleckern. Du wolltest herrschen. Seit Jahrhunderten klammerst du dich an den Thron von Albenmark und bist verliebt in die Macht, denn einen Mann hast du dir nicht mehr ins Bett geholt, wie man hört, seit du deinen Thron besitzt. Nun stehe zu deiner Liebe! Kämpfe um sie! Hast du nicht von dir gesagt, du seiest die erste Dienerin der Albenkinder? Waren es nicht deine Worte, dass aus deiner Herrschaft immer das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl deiner Untertanen entspringen sollte? Herrsche! Opfere dreizehn, um ungezählte Leben zu retten. Bekenne dich endlich zu dem, was du bist. Eine Herrscherin kann nicht nach dem Maß normaler Sterblicher gemessen werden.«
    Emerelle richtete sich auf. Mit der Rechten stützte sie sich auf den Tisch auf, der zwischen ihnen stand. Sie hatte das Gefühl, dass jeden Augenblick ihre Beine unter ihr nachgeben könnten. »Du hast die Erlaubnis, dich zurückzuziehen, Alathaia. Ich werde dir zu gegebener Zeit mitteilen, wie ich mich entschieden habe.«
    Die Fürstin erhob sich und holte aus dem weiten Ärmel ihres Kleides eine kleine Pergamentrolle hervor. »Ich habe hier die Namen von dreißig Kindern niedergeschrieben, die in Frage kämen. Und bevor du sie jetzt zurückweist, denke daran, wie lang die Liste der Opfer werden wird, die ihr Leben geben mussten, weil du nicht bereit warst, mit deinen fragwürdigen Moralvorstellungen zu brechen. Ich glaube, der erste Name auf dieser Liste lautet Ollowain. Oder irre ich mich?«
    »Wie kannst du es wagen ...«
    »Meister Reilif hat mir einiges erzählt, bevor er nach Iskendria zurückkehrte. Er war sehr beeindruckt davon, wie du das Problem mit Ollowain gelöst hast. Nur über das Wie von Ollowains Tod war sich der Hüter des Wissens nicht im Klaren. Dazu sind die Gerüchte zu widersprüchlich. Ich glaube zwar, dass du durchaus auch auf Meuchler zurückgreifst, wenn es darum geht, deinen Willen als Herrscherin durchzusetzen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass einer seiner Gefährten den Schwertmeister inmitten des Schlachtgetümmels am Mordstein hinterrücks erstochen hat. Auch wenn ein Schlachtfeld wohl der bestmögliche Ort ist, um einem Leben, das deiner Herrschaft zur Last wurde, ein schnelles Ende zu bereiten. Ich bin der Meinung, dass du subtiler vorgegangen bist. Leider habe ich Ollowain nie kennen gelernt. Aber alle, die ich von ihm reden hörte, waren sich einig, dass es nie einen Elfen gab, der die Tugenden der Ritterlichkeit so vollkommen verkörperte wie er. Wenn du es gewünscht hättest, dann hätte er gewiss von sich aus dafür Sorge getragen, die Schlacht am Mordstein nicht zu überleben. Du hast längst damit begonnen, die Grenzen des Kerkers deiner Moral auszuweiten. Mach dir nichts vor! Ich fordere dich nicht auf, den ersten Schritt zu tun. Es ist nur ein weiterer Schritt auf einem Weg, der dir schon lange vertraut ist.«
    Emerelle hatte nicht länger die Kraft zu stehen. Sie ließ sich auf den Lehnstuhl am Tisch sinken. Auch ihre Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalten. Unfähig, ein Wort zu sagen, sah sie Alathaia einfach nur an.
    »Ich erwarte deine Entscheidung, Herrscherin.« Mit diesen Worten verließ die Fürstin von Langollion die kleine Bücherkammer.
    Emerelle vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Nicht Alathaias Worte hatten ihr den Stich ins Herz versetzt. Es war Ollowain ... Sie spürte ihn nicht mehr. Er war nicht mehr da ... Er war ... verloschen. Der Tod hatte den Schwertmeister gefunden, wo immer er gewesen war. Er musste wohl seinen Verletzungen aus der Schlacht erlegen sein. Wunden, die sie ihm zugefügt hatte, auch wenn es nicht ihre Hände gewesen waren, die den tödlichen Streich geführt hatten.
    Oft schon hatte sie den Tod des wiedergeborenen Falrach erduldet. Doch nie hatte sie sich so einsam gefühlt.
    Durch den Schleier ihrer Tränen sah sie die Pergamentrolle mit den Namen der Kinder, und sie dachte an Alathaias Worte. Die Fürstin hatte Recht. Emerelle hatte die Flüchtlingszüge in der Silberschale gesehen. All das Blut, das an ihren Händen haften würde.

SEHNSUCHT

    Das Tier hatte ihn an den See gebracht, von dem aus die wunderbare Burg zu sehen war. Immer schneller konnte sich die Bestie bewegen. Sebastien vermochte nicht

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