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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Dort hockten tote Falken in schwarz angelaufenen Silberkäfigen. Und Hunde lagen wie schlafend, den Kopf auf die Pfoten gelegt, in ewiger Ruhe.
    Der hohe Tunnel machte einen scharfen Knick und öffnete sich in eine rechteckige Kammer, in der grimmige Krieger auf hölzernen Böcken ruhten. Ihre Oberkörper wurden von Speerschäften gestützt, gegen die sich die Toten lehnten. Beunruhigt registrierte Melvyn, dass es noch zwei Dutzend Böcke gab, auf denen keine toten Krieger ruhten.
    Die Fürsten und die auserwählten Totenwachen gingen schweigend weiter. Ihr Hufschlag auf dem steinernen Boden war das einzige Geräusch im Grab.
    Melvyn sah eingetrocknetes Blut auf den Speerschäften und am Boden unterhalb der toten Wächter. Ein feuchter Schimmer erregte seine Aufmerksamkeit. Hinter einem der Krieger war Blut an der Wand.
    Der Wolfself ließ sich an das Ende des Trauerzuges zurückfallen. Dann trat er zwischen den toten Wachen hindurch und tastete über die Wand. Frisches Blut benetzte seine Hand. Er witterte daran. Dann leckte er sich über die Hand. Jeder Zweifel war ausgeschlossen. Das war kein Kentaurenblut! Es stammte von einem Büffel! Misstrauisch sah er sich um. Irgendetwas stimmte hier nicht. Weitere frische Blutflecken konnte er jedoch nicht entdecken.
    Melvyn beeilte sich, wieder zu den anderen aufzuschließen. Der Trauerzug hatte inzwischen eine runde Grabkammer mit leicht gewölbter Decke erreicht. In weitem Kreis waren hier tote Kentauren aufgestellt, die man an ihren Kleidern und Waffen auf den ersten Blick als Fürsten erkennen konnte. Manche von ihnen hatten die Augen geöffnet. Sie blickten den Störenfrieden zornig entgegen, wie es Melvyn erschien.
    Der Weihrauchduft war hier noch bedrückender. Mit jedem Atemzug legte sich ein pelziger Geschmack in seinen Mund. Melvyn hatte vor Jahren einmal ein Mammut im Eis eingeschlossen gefunden. Das Tier war offensichtlich vor langer Zeit in einer Lawine umgekommen. In seiner Flanke hatte ein Speer mit Bronzeblatt gesteckt. Solche Waffen wurden seit vielen Jahrhunderten nicht mehr verwendet. Das Tier musste schon sehr lange tot gewesen sein. Dennoch war sein Fleisch gut genießbar gewesen, nachdem es aufgetaut war.
    Die toten Fürsten in der Grabkammer erinnerten Melvyn an das Mammut. Obwohl es hier nicht kalt war, schienen die Jahrhunderte spurlos an ihnen vorübergegangen zu sein. Nur der Bronzepanzer eines Herrschers war von blaugrüner Edelpatina überzogen. Ansonsten deutete nichts darauf hin, wie lange sie hier schon auf die Rückkehr der Alben warteten.
    Orimedes wurde in den Kreis der toten Fürsten gestellt. Die Krieger, die den Fürsten getragen hatten, zogen sich aus der Gruft zurück. Auch die anderen Kentauren folgten ihnen. Nur Nestheus blieb an der Seite seines Vaters. Flüsternd hielt der weiße Kentaur Zwiesprache mit dem Toten. Dabei hielt er den Kopf leicht geneigt, als lausche er auf etwas.
    Ein Schauer lief Melvyn über den Rücken. Er zog sich in den Saal mit den toten Kriegern zurück. Dort halfen die Ehrenwachen Senthor auf zwei Holzböcke. Sie banden die Beine des alten Kriegers mit dünnen Lederriemen fest.
    »Was tut ihr da?« Der Halbelf wollte dem Alten zu Hilfe eilen, doch dieser hob abwehrend die Hand.
    »Sorge dich nicht um mich, mein Freund. Mir wird eine große Ehre zuteil. Orimedes hat mich auf dem Totenbett eingeladen, ihn auf seinem letzten Ritt als sein Waffenbruder zu begleiten.«
    »Du willst doch nicht ...«
    »Doch, ich werde in der letzten Schlacht der Alben kämpfen. Gemeinsam mit Orimedes.« Seine Augen strahlten. »Ich bin ein alter Mann. Wir hatten schwere Verluste. Ich bin jetzt der letzteÜberlebende aus Phylangan. Unsere Zeit ist um. Bald würde ich meinem Stamm nur noch zur Last fallen. Es ist besser, diesen Weg zu gehen. Er ist ehrenhafter.« Senthor drehte den alten Speer mit dem Bronzeblatt, den er am Eingang zum Grab mitgenommen hatte.
    Melvyn hörte Hufschlag an seiner Seite. »Halte ihn nicht auf«, sagte Katander. »Ihr Elfen könnt das nicht verstehen. Ihr werdet wiedergeboren. Wir aber nicht. Es gibt nur einen einzigen Weg, noch einmal für einen Tag zurückzukehren. Nur wer in den Gräbern gemeinsam mit unseren Fürsten auf das Ende aller Zeiten wartet, der wird noch einmal wiederkehren. Alle anderen erwartet nach dem Tod das Nichts.«
    Senthor setzte das Ende des Speers in eine Vertiefung zwischen den Steinplatten am Boden. Jetzt erst begriff Melvyn, was er übersehen hatte, als er zum ersten Mal

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