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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Sturkopf! Wenn sein Sohn bei ihm gewesen wäre, dann hätte er den Tod besiegt. Ganz gewiss!«
    Wieder schrieen bronzene Luren ihre Trauer in das Schneegestöber. Diesmal klangen sie viel näher. Die klaren Stimmen silberner Glöckchen drangen an Melvyns Ohr. Er blickte die Reihe der Wartenden entlang, die sich dunkel im weißen Wüten des Winters verlor. Ein Schatten erschien zwischen ihnen.
    Der Wolfself erkannte Katander. Gemeinsam mit sieben anderen Stammesführern zog er einen großen Schlitten, auf dessen Pritsche Orimedes stand, den Blick auf sein Grab gerichtet.
    Ein Schauer überlief Melvyn bei dieser unheimlichen Erscheinung. Der Schlitten des Fürsten war mit hunderten von Glöckchen geschmückt, deren silberne Stimmen ihm ein Totenlied sangen. Das Ehrengeleit zog Orimedes in langsamem Schritt, sodass jeder Gast ins Antlitz des Fürsten sehen konnte. Sein Bart war während der letzten Wochen weiß geworden. Der größte Teil des Haupthaars war ihm ausgefallen. Tiefe Furchen hatten sich in sein Gesicht gegraben. Seine Brust blieb hinter einem weißen Leinenpanzer verborgen. Von seinen Schultern wallte ein purpurner Umhang, dessen Säume mit Goldfäden durchwirkt waren. Man hatte den Fürsten auf zwei Tischböcke gehoben und seine Beine daran festgebunden. Sein Rücken war mit einem Speerschaft abgestützt. So vermochte er noch im Tod aufrecht im Schlitten zu stehen.
    Verwundert beobachtete Melvyn, wie sich alle Gäste Schnitte beibrachten, kurz bevor der Schlitten an ihnen vorbeifuhr. Und sie besprenkelten das Gefährt mit ihrem Blut. In der Eiseskälte gefror es in wenigen Augenblicken und überzog den Schlitten mit einem roten Eispanzer. Manche schnitten sich sogar ein Ohrläppchen ab und warfen es auf die Pritsche. All das geschah schweigend. Man hörte nur das Stampfen der Hufe des Ehrengeleits, die knirschenden Schlittenkufen im Schnee und den hellen Klang der Glocken.
    Melvyn ballte die Faust und ließ die Krallen aus seinem rechten Armschutz schnellen. Mit einem raschen Schnitt zog er vier parallele Linien in seine linke Hand. Als der Schlitten an ihm vorüberglitt, drückte er die Hand gegen die blutbedeckten Aufbauten.
    Dann schloss sich Melvyn dem Zug der Gäste an, die den toten Fürsten zu seinem Grabhügel geleiteten.
    Der Schlitten hielt schließlich an einer Erdrampe am Fuß des Hügels. Vier Kentaurenkrieger mit nacktem Oberkörper, die sich Brust und Arme zum Zeichen der Trauer mit weißen Schlangenlinien bemalt hatten, hoben den Fürsten samt den Stützböcken aus dem Schlitten. Als sie in den Schacht traten, der zum Herzen des Grabhügels führte, erklang von der Ebene her ein Schrei voller Wut und Schmerz und laut wie ein Fanfarenstoß.
    Aus dem Schneegestöber kam ein Trupp weißer Kentauren. Wie Geister, geboren aus Eis und Wind, erschienen sie Melvyn. An ihrer Spitze trabten Nestheus und Kirta.
    Die Menge der Trauergäste teilte sich vor den Verfemten. Sie fielen in langsamen Schritt. Vor der Rampe blieben sie stehen. Nur Nestheus und Kirta stiegen zu dem toten Fürsten hinauf.
    Mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, befahl der Fürstensohn den Totenträgern, den Leichnam seines Vaters abzustellen. Und sie gehorchten.
    Nestheus trat ihm zur Seite und küsste den Leichnam auf beide Wangen. »Ich vergebe dir!«, rief er so laut, dass es auch im Schneegestöber noch weithin zu hören war. Dann küsste auch Kirta die eingefallenen Wangen des Kentaurenfürsten und rief mit lauter Stimme: »Orimedes, ich vergebe dir.«
    Melvyn hörte, wie Senthor neben ihm einen tiefen Seufzer ausstieß. »Hätte sein Vater nur diesen unseligen Fluch nicht ausgesprochen. Kann man einen besseren Sohn haben?«
    »Katander von Uttika, ich rufe dich an meine Seite!«, rief Nestheus mit fester Stimme.
    Der Fürst trat aus der Trauergesellschaft hervor und kam die Rampe herauf.
    »Maktor von den Silberhufen, ich rufe dich an meine Seite!« Nestheus rief noch vier weitere Fürsten hinauf auf die Rampe.
    »Melvyn vom Albenhaupt, ich rufe dich an meine Seite.« Der Halbelf war überrascht.
    »Geh hinauf«, drängte Senthor. »Es ist eine große Ehre, die Fürstengruft betreten zu dürfen.« Etwas unsicher nahm Melvyn den Weg zur Rampe. Nicht alle begegneten ihm mit freundlichen Blicken. Es schien sehr ungewöhnlich zu sein, dass jemand, der nicht dem Volk der Pferdemänner angehörte, zur Gruft gerufen wurde.
    »Senthor, Held von Phylangan, ich rufe dich an meine Seite.« Melvyn freute sich für den alten

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