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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Abgrund. Leise sirrend glitt sie am Seil entlang. Mit einer Handbewegung konnte sie die Geschwindigkeit abbremsen, mit der sie hinabglitt.
    Eine Böe packte sie und drückte sie gegen die Steilwand. Sie schlug mit der Schulter gegen den Fels und begann sich im Kreis zu drehen. Fluchend versuchte sie mit ausgestreckten Beinen Halt zu finden. Endlich ließ das Pendeln wieder nach. Schräg über sich sah sie ihren Vater. Auch er hatte seine liebe Mühe mit dem Seil.
    Bisher hatte Kadlin es vermieden, in den Abgrund zu blicken, über dem sie hing. Doch nun war es an der Zeit, ein Felssims zu finden, auf dem sie sich niederlassen konnte. Schneewechten markierten die Vorsprünge und Nischen in der Steilwand.
    Endlich entdeckte sie einen zwei Fuß breiten Absatz im Fels. Kadlin blickte nach unten. Der Lärm der Schlacht war jetzt viel deutlicher zu hören. Sie war nur noch wenig mehr als zwanzig Schritt über dem Kampfplatz. Mit Schrecken sah sie, dass die Schlachtreihe der Langspeerträger inzwischen völlig zerbrochen war. Einer der Stangenbeiltrupps war so dicht von Trollen umzingelt, dass die Kämpfer nicht mehr richtig mit ihren langen, unhandlichen Waffen ausholen konnten.
    Kadlin verdoppelte ihre Anstrengungen, um den Felsabsatz zu erreichen. Er lag ein wenig zurück, sodass sie ihr Seil in sanfte Pendelbewegungen versetzten musste. Die Linke am Seidenseil, die Rechte weit vorgestreckt, um an einem Riss im Felsen Halt zu finden, schwang sie vor und zurück. Zweimal stieß sie sich das Knie an. Sie fluchte über ihr Ungeschick, während von der Ebene gellende Todesschreie erklangen.
    Endlich fand sie an einer vorspringenden Felsnase einen sicheren Griff. Sie zog sich auf das Sims und drehte sich um. Die Füße stemmte sie fest gegen den Boden. Mit dem Rücken lehnte sie sich an die Steilwand. Jetzt erst bemerkte sie, wie heftig ihr Herz schlug. Ihre linke Hand brannte trotz des Handschuhs von der Reibung des Seils. Das Hemd unter ihrer Fellweste war durchgeschwitzt, und der Wind schnitt ihr ins Fleisch, als stünde sie nackt auf dem Sims.
    Ihr Vater schwebte noch immer ein Stück über ihr in der Steilwand. Sein Gesicht war aufgeschürft. Dennoch lächelte er ihr zu, als er ihren Blick bemerkte.
    Kadlin nahm den Bogen von der Schulter. Du bist hier, um Trolle zu töten, ermahnte sie sich in Gedanken und versuchte den riesigen Kerl zu vergessen, der Björn und sie vor dem Schneelöwen gerettet hatte. Hoffentlich war Brud jetzt nicht dort unten.
    Sie zog die Sehne durch und schoss. Ihr Pfeil grub sich tief in den Halsansatz eines Kriegers, der den grauen Wanst mit blutigen Schlangenlinien bemalt hatte. Der Troll packte schreiend nach dem Pfeilschaft. Ruckartig riss er den Kopf herum, um zu erkennen, wer auf ihn geschossen hatte. Kadlin sah sich kurz um. Inzwischen hingen mehr als dreißig Bogenschützen rings um sie in der Steilwand. Immer mehr Pfeile prasselten auf die riesigen Feinde ein. Der Wind fegte in plötzlichen Böen über das tief verschneite Land, doch da sie nun so viel näher an ihre Feinde herangekommen waren, trafen ihre Pfeile besser.
    Kadlin gab sich keinen Illusionen hin. Den Ausgang der Schlacht würde ihre kleine Schar wohl kaum beeinflussen. Aber wenn sie es nur schaffte den Angriff der Trolle ins Stocken zu bringen, dann war den Kriegern unten im Tal wenigstens etwas geholfen.
    Unter ihr ertönte ein lang gezogenes Hornsignal. Wie eine lebende Woge stürmte die Reiterschar aus der Bodensenke. Der tiefe Schnee verlangsamte ihren Angriff. Dennoch waren die Trolle überrascht, als sie sich einer neuen Einheit von Feinden gegenübersahen. Einige von ihnen begannen zurückzuweichen.
    Kadlin suchte ihr nächstes Ziel zwischen den Kämpfern, die versuchten, den Reitern aus dem Weg zu gehen. Ein paar Tote mehr oder weniger konnten durchaus den Unterschied zwischen geordnetem Rückzug und panischer Flucht ausmachen.
    Sie suchte sich einen Krieger aus, der keinen Schild trug. Langsam zog sie die Sehne durch. Eine Böe wirbelte ihr Eiskristalle ins Gesicht. Sie blinzelte kurz, fixierte ihr Ziel erneut und schoss. Der Pfeil ging fehl. Leise fluchend griff sie in den Köcher.
    Etwas krachte nicht weit entfernt. Einer der Maurawan schrie auf und stürzte. Blut tränkte sein Schneehemd. Sein Kopf war nur noch eine blutige Masse.
    Wieder krachte es. Kadlin entdeckte einen Trupp Trolle mit umgehängten Ledertaschen. Sie warfen faustgroße Steine nach den Bogenschützen.
    Unwillkürlich duckte sich die Jägerin.

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