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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Arsinoe starb, noch bevor die Sonne den Mittagsstand erreichte. Karims falsche Ratgeber flüsterten ihm ein, sie sei vor Scham an gebrochenem Herzen gestorben. Und er glaubte ihnen. Wind und Wüstensand hatten ihr Werk vollendet. Von dem Mann, der er einst war, war nichts mehr geblieben. Er ließ mich und meine Mutter holen. Und während man Mutter langsam mit einem breiten Seidenschal erdrosselte, musste sie zusehen, wie er dich mit einem glühenden Eisen deiner Männlichkeit beraubte. Auch ließ er deine Zunge kürzen, weil er deine vermeintlichen Lügen nicht länger hören wollte. Er entschied, dass seit Jahren kein wahres Wort von deiner Zunge geformt worden sei, und wünschte, dass in den Tagen, die dir noch blieben, kein deutliches Wort mehr über deine Lippen kommen solle. Und dann befahl er dem Folterknecht, dass er dir eine Narbe für jede einzelne Narbe zufügen sollte, die seinen Fürstenleib zeichnete. Und er ließ seine Gewänder fallen und entblößte seinen geschunden Körper, damit der Folterer sah, wie er seine Arbeit zu verrichten hatte. Selbst in den Augen jenes harten Mannes war für einen Augenblick lang Entsetzen zu sehen. Damit begann ein Martyrium, das viele Tage dauern sollte. Der Folterknecht verwendete seltene Salze, Affenhaar und Rosendornen, um zu verhindern, dass sich deine Wunden schlossen. In manche Wunden legte er sogar schwarzen Onyx, wie ein Goldschmied edle Steine in seine Schmuckstücke einfasst. So sah es aus, als starrten dunkle Augen aus deinem geschundenen Fleisch. Sieben Tage währte diese Marter schon, als dein Peiniger den Fehler machte, dich für einen gebrochenen Mann zu halten. Dafür zahlte er mit dem Leben, ebenso wie Fürst Karim, der den Befehl gegeben hatte, Mutter zu töten und mich zur Sklavin in seinem Palast zu machen, die man nachts zu den Ziegen sperrte, um sie zu demütigen. Auch zwei der falschen Berater des Fürsten erlebten das nächste Morgengrauen nicht. Doch dann mussten wir fliehen, denn deine Wunden hatten dich zu sehr geschwächt, und alle Krieger der Oase waren in hellem Aufruhr und versuchten, dich zu stellen. Männer, die jahrelang deine Freunde waren und die du in den Geheimnissen der alten Schwertmeister unterwiesen hattest, fielen vor deiner Klinge. So flohen wir in die Wüste.
    Vierzig Tage und vierzig Nächte blieben wir dort, und ich versorgte deine Wunden und lernte, die verstümmelten Worte zu verstehen, die über deine Lippen kamen. Die verräterischen Freunde des Fürsten waren klug genug, vor deinem Zorn zu fliehen. Trotz all der Krieger, die man zu ihrem Schutz aufbot, mochte keiner im Land der Söhne Zeynels bleiben. Unser Volk aber erklärte dich zum Verfemten, und man begann dich zu jagen, so wie du deinerseits ohne Gnade den falschen Ratgebern des Fürsten Karim nachstelltest. Und dies ist der Grund deiner Reise nach Iskendria. Du bist hier, um einem dieser Männer den Kuss deines Schwertes zu schenken.«
    Erwartungsvoll blickte Ganda zu Ollowain auf. Jedes Mal, wenn sie die Geschichte erzählte, wurde sie besser. Sie schmückte sie aus, gab weitere Einzelheiten hinzu. Doch was hielt der Elf davon?
    Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen. Glomm in seinen Augen kurz der Funke herzhaften Lachens? Wenn dieser Mistkerl etwas offenherziger wäre und nicht all seine Gefühle hinter seiner Arroganz versteckte, dann wäre es leichter, mit ihm auszukommen!
    Aber so waren sie, die Elfen. Vor allem jene aus dem eisigen Norden, die zum Volk der Normirga gehörten. Äußerlich waren sie Eisklötze, doch in ihrem Innersten glomm ein gefährliches Feuer.
    »Soeben habe ich beschlossen, auf jeden Fall anwesend zu sein, wenn du unserer Herrin Emerelle vom Ausgang unserer Reise berichtest. Du bist wahrhaft eine begnadete Lügnerin, Ganda. Geschichten zu erfinden, scheint dir große Freude zu bereiten. Vielleicht ähnelst du den Beratern deines Fürsten Karim. Bist du wie der Sand und der Wind, die so lange an der Wahrheit nagen, bis niemand mehr ihr wahres Gesicht zu erkennen vermag?«
    »Für dich werde ich immer nur sein, was du in meinem Volk siehst, Ollowain. Zumindest, was die Lutin angeht, hast du vor der Wahrheit schon lange die Augen verschlossen. Ich bin es leid, dich eines Besseren zu belehren oder dich wenigstens dazu zu bringen, in mir zuerst Ganda zu sehen, die immerhin das Vertrauen Emerelles genießt, und dann erst eine Lutin.« Und ich habe soeben beschlossen, dass du niemals erfahren wirst, was es mit dieser Geschichte

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