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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ihm?«
    »Wie du siehst, kann ich mir durchaus alleine helfen«, entgegnete sie spitz. »Er hält sich im Augenblick für ein Marmorstandbild. Daran sollte sich bis zum Morgengrauen nichts ändern. Ich schlage vor, wir gehen.«
    »Wozu braucht man solch einen Zauber?«
    »Um ein Messer an der Kehle loszuwerden, natürlich«, antwortete Ganda ironisch. »Manchmal ist er auch ganz nützlich für einen erfreulichen Geschäftsabschluss.«
    Ollowain schüttelte den Kopf und bückte sich nach seinem Umhang und dem Schleier. »Ist das eine nette Umschreibung für Diebstahl?«
    »Es ist üble Verleumdung, uns Lutin dauernd zu unterstellen, wir seien ein Volk von Dieben«, entgegnete sie entrüstet. Natürlich war es in aller Regel so, dass der Wert der Waren, die sie zurückließen, wenn der Marmorzauber zum Einsatz kam, in keinem Verhältnis zum Wert der Waren stand, die sie mitnahmen, aber Diebe waren sie nicht! Diebe ließen gar nichts zurück! Nicht einmal ein symbolisches Goldstück.
    Plötzlich warf sich Ollowain auf sie. Der Elf riss sie zu Boden. Sein Gewicht presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie hörte ihre Rippen krachen. Etwas Warmes rieselte über ihre Hand. Blut!
    Als Ollowain wieder aufstand, sah sie, wie der Mann mit dem zerschmetterten Knie verzweifelt versuchte, kriechend zwischen die Ruinen zu entkommen. Der Schwertmeister würdigte ihn keines Blickes. Ein großer, blutiger Fleck breitete sich unter seinem rechten Arm auf dem schneeweißen Gewand aus. Neben ihnen lag ein sichelförmiger Dolch im Staub.
    »War der für mich bestimmt?«, stammelte Ganda erschrocken. Warum hatte der Kerl das getan? Der Kampf war doch entschieden.
    »Hätte er dem etwas steifen, korpulenten Herrn dort vorne gegolten, hätte ich mich dem Dolch sicher nicht in den Weg geworfen.« Ollowain tastete vorsichtig über sein blutiges Gewand.
    Ganda konnte noch immer nicht glauben, was geschehen war. »Du hast dich zwischen mich und das Messer gestellt? Du kannst mich doch nicht einmal leiden. Du hättest tot sein können. Du hättest ...«
    »Hättest, hättest, hättest.« Ollowain winkte ab, als sei nichts weiter geschehen. »Die Klinge hat eine meiner Rippen gestreift. Sie ist nicht tief eingedrungen. Ich bin nicht in Gefahr, verstehst du? Solche oberflächlichen Schnittwunden bluten stark und sehen sehr dramatisch aus, aber im Grunde sind sie nicht der Rede wert. Wenn du mir einen Gefallen tun möchtest, dann verzichte auf weitere Umwege und bring mich zum Hause Sem-las. Ich hätte gern ein wenig sauberes Leinen, um einen strammen Verband anzulegen.« Er knüllte seinen Schleier zusammen und presste ihn fest gegen die Wunde.
    »Aber du hast mir das Leben gerettet! Du ...« Der Schwertmeister legte einen Finger an die Lippen und gebot ihr zu schweigen. »Ich habe getan, was Emerelle mir aufgetragen hat – dich beschützen. Nicht mehr und nicht weniger.« Ganda nickte, aber die Sache war damit längst nicht für sie erledigt. Sie kannte niemand anderen, dem es eingefallen wäre, mit seinem Leib ein Messer aufzuhalten, das für sie bestimmt war. Sie wurde aus diesem verfluchten Elfen nicht schlau. Ja, sie ärgerte sich sogar gehörig darüber, wie er seine Heldentat kleinredete. Da traf sie einmal in ihrem Leben jemanden, der sich benahm wie ein Ritter aus den Liedern der Barden, selbstlos und edel, und dann machte er die Sache kaputt, indem er gleich darauf so tat, als sei es eine Kleinigkeit. Ihr Leben war keine Kleinigkeit! Jedenfalls nicht für sie.
    Wütend stapfte sie voran und versuchte sich zu orientieren. Dann hörte sie wieder den düsteren Gesang. Er wies ihr den Weg zum Tempelplatz. Sollte Ollowain doch sehen, was dort vor sich ging! Verstockter Mistkerl!
    Mehr und mehr Menschen kamen ihnen entgegen. Der Gesang jenseits der verwinkelten Häuserschluchten wurde leiser und verstummte. Dafür nahm der Lärm in den Gassen zu. Unflätige Lieder dröhnten aus den Tavernen, ein kleiner Junge pries lautstark die Kunststücke seines dressierten Affen.
    Die Stadt wirkte plötzlich lebendiger, dachte Ganda. Das war Unsinn, das wusste sie. Und dennoch hatte sich etwas verändert. Die Menschen rings herum wirkten wie erlöst. Ihr Lachen klang heller .... Vielleicht lag es ja auch an ihr? Daran, dass sie wusste, dass der Schrecken für heute vorüber war? Auf einmal zeigte sich Iskendria von seiner besten Seite. Bis morgen erneut ein Priesterzug die prächtige Prozessionsstraße entlangschritt, um Balbar eine Braut zu bringen.
    Es

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