Elfenlicht
getan.«
»Wenn du in Betracht ziehen könntest, dass wir Lutin nicht jedes Mal lügen, wenn wir den Mund aufmachen, dann würden wir beide vielleicht besser miteinander auskommen.«
»Wie es scheint, schulde ich dir also noch eine Entschuldigung.« Sein Ton war etwas frostiger geworden. »Es tut mir leid, wenn ich dich ungerecht behandelt habe.« Es war unverkennbar, dass es ihn Mühe kostete, die Worte über die Lippen zu bringen. Sein Gesicht spiegelte keine Reue. Es war ein reines Lippenbekenntnis.
Ganda war froh, endlich das Haus mit der breiten Marmortreppe zu sehen, von dem Emerelle ihr berichtet hatte. »Wir sind angekommen.« Sie deutete die Stufen hinauf. Sem-las Palast wirkte, verglichen mit den anderen Häusern, von außen erstaunlich unscheinbar. Die der Straße zugewandte Front hatte fast keine Fenster. Sie war schmucklos, sah man einmal von einem großen Wandbild ab, das Schiffe mit geblähten Segeln zeigte, umgeben von allerlei Meeresgetier.
Ganda hasste es, Treppen zu steigen. Nie dachten die Baumeister an die kurzen Beine von Kobolden, wenn sie den Abstand der Treppenstufen bemaßen. Gut, in der Welt der Menschen war dies mangels Kobolden ein verzeihlicher Fehler. In Albenmark war es allerdings nicht besser, und dort waren die Steinmetzen und Baumeister obendrein meist Kobolde. Aber so waren die Elfen in ihrer Überheblichkeit. Sie verschwendeten keinen Gedanken an ihre Diener, die öfter als jeder andere Palastbewohner die Treppen hinauf- und hinabeilten.
Die Stufen führten hinauf zu einem schweren, zweiflügeligen Tor. Das schwarze Holz war mit Intarsien aus Perlmutt und Elfenbein geschmückt, die sich zu Bildern von Delfinen und Schiffen fügten. Vor dem Tor stand eine große dunkelhäutige Gestalt: ein Diener mit nacktem geöltem Oberkörper, um dessen Arme sich goldene Schlangenreife wanden.
»Sag deiner Herrin, dass ihre Königin ihr eine eilige Nachricht schickt.« Ganda sprach in der Sprache Iskendrias und betonte jedes einzelne Wort überdeutlich.
Der Wächter musterte sie beide eindringlich. Ollowains Wunde veranlasste ihn zu einem Stirnrunzeln. Endlich nickte er und öffnete das Tor. Er führte sie in die Eingangshalle, wo ein silberner Springbrunnen willkommene Kühle spendete. Der Duft von Zimt und Sandelholz schwang in der Luft, währenddie kleinen Flammen der Öllämpchen das dunkle Zwielicht der Halle kaum zu vertreiben vermochten.
Wortlos deutete ihr Führer auf eine steinerne Bank an der Wand. Dann verschwand er mit eiligen Schritten.
Ganda sah sich mit großen Augen um. »Ich glaube, es könnte mir gefallen, eine geheime Gesandte Emerelles in der Welt der Menschen zu sein.«
Ollowain überraschte sie, indem er antwortete. »Wenn ich mich recht erinnere, hat sie Sem-la – oder besser gesagt, Valynwyn – bestraft. Hier zu sein ist keine Gunst. Sie ist eine Verbannte.«
Die Lutin betrachtete die kostbaren Mosaiken auf dem Boden. Wenn man Elf war, konnte man sich offensichtlich alles erlauben. Hier zu leben, war keine Strafe! Sie dachte daran, wie ihr eigenes Volk rastlos mit den Hornechsen wanderte. Nie wussten sie, wo sie im nächsten Mond leben würden. Die einzige Gewissheit, die sie hatten, war die, dass man sie, ganz gleich, wohin sie auch gingen, niemals willkommen heißen würde. Wer die Lutin zu sich rief, der hatte meist dunkle Geschäfte im Sinn und legte größten Wert darauf, nicht mit ihnen gesehen zu werden. Deshalb durften sie, auch wenn sie ihre Aufträge zu größter Zufriedenheit erledigten, niemals mit Dankbarkeit rechnen.
Leise Schritte unterbrachen Gandas bittere Gedanken. Sie blickte auf. Die Hausherrin kam barfuß. Sie war eine hochgewachsene, schöne Frau. Ganz offensichtlich hatte der überraschende Besuch ihre Pläne für den Abend durcheinander gebracht. Sem-la trug eine wuchtige Perücke aus gefärbtem Pferdehaar. Ihr Gesicht war so stark geschminkt, dass es fast wie eine Maske wirkte. Die Augen hatte die Elfe mit Ruß umrandet, sie waren erschreckend dunkel. Auf irgendeine geheimnisvolle Weise hatte Sem-la es geschafft, das Weiß ihrer Augen türkis zu färben. Ihr Blick war unheimlich. Weder die kunstvoll gelegten Locken ihrer Perücke noch der perlenbestickte Seidenmantel, der ihre Nacktheit nur unvollkommen verbarg, vermochten von diesen Augen abzulenken. Ein sinnlicher, fremdartiger Duft ging von der Perücke aus, und Ganda roch, dass sich Sem-la auch zwischen ihren Schenkeln parfümiert hatte. Man musste schon wissen, dass die Herrin
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