Elfenlicht
Himmelsrichtungen davon. Ganda spürte die magische Kraft durch den Steinboden. In der Sonnenkugel am Boden trafen sich sieben Albenpfade zu einem großen Stern.
Sie kniete sich inmitten des Mosaiks nieder. Ihre Hände tasteten über den Boden. Sie nahm die lebendige Kraft des Netzes in sich auf. Vor ihren geschlossenen Augen tanzten vielfarbige Schlangen. Einen Augenblick nur dauerte es, dann fand Ganda den Weg, der fort aus der Welt der Menschen führte. In Gedanken ließ sie die Kraft des Pfades anschwellen, bis sich ein weites Tor aus goldenem Licht inmitten des Kellergewölbes erhob.
Stolz drehte sie sich zu den beiden Elfen um. Sie hatte sich während des Zaubers zu sehr konzentriert, um zu hören, was die beiden miteinander besprochen hatten.
»... werde sie dennoch bitten. Vielleicht wird sie ihr Urteil ja noch einmal überdenken.«
»Du kennst sie, Ollowain. Wie ich hörte, hat sie selbst ihre geliebte Freundin Noroelle verstoßen. Verbannt in die Einsamkeit der Zerbrochenen Welt. Welche Hoffnung sollte ich da haben? Ich stand der Königin nie sonderlich nahe.«
»Die Königin ist in der Weisheit ihres Ratschlusses unergründlich«, sagte Ollowain.
Leeres Elfengeschwätz, dachte Ganda. Mit diesem Spruch ließ sich alles entschuldigen. »Wir können gehen.«
Sem-la würdigte sie selbst jetzt keines Blickes. Sie umarmte Ollowain und trat zurück.
Seite an Seite mit dem Schwertmeister durchquerte Ganda das Tor. Ein einziger Schritt nur brachte sie in eine andere Welt. Die Lutin hatte Angst vor der Bibliothek, auch wenn sie das weder Ollowain noch Emerelle eingestanden hatte. Nach allem, was sie über diesen Ort wusste, war es ein riesiger Komplex von mit Büchern gefüllten Räumen, der ins Herz eines riesigen Felsbrockens geschlagen war. Und dieser Fels trieb durch das Nichts. Er war ein Splitter der Zerbrochenen Welt. Nirgends gab es in der Bibliothek ein Fenster. Gandas Hände waren feucht, als sie durch das Tor aus Licht trat. Stickige, abgestandene Luft schlug ihnen entgegen.
Vereinzelte Öllampen glommen im Dunkeln. Das Tor, das sich mit ihrer Ankunft geöffnet hatte, warf bernsteinfarbenes, warmes Licht in die große Halle. Hunderte Stehpulte waren um den Mosaikkreis angeordnet, in den sie der Pfad aus Licht geführt hatte. Er war schlichter als der, den sie erst vor einem Herzschlag im Hause Sem-las verlassen hatten. Ein einfaches geometrisches Muster fügte sich zu einem Kreis. Spiralen, unentwirrbar miteinander verwoben.
Langsam sank das Tor hinter ihnen in sich zusammen. Im gleichen Maße eroberte die Dunkelheit den weiten Raum zurück. Ganda war überrascht. Sie hatte etwas anderes erwartet. Etwas Eindrucksvolleres. Dies war also der Ort, an dem man Antwort auf alle Fragen fand, wenn man denn an der richtigen Stelle zu suchen wusste. Es war ein ziemlich angestaubter Ort.
Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Das Licht des Tores war nun vollständig verloschen. Ein gutes Stück entfernt wurde eines der wenigen Öllämpchen emporgehoben. Viel zu hoch emporgehoben! Die Lutin sah aus den Augenwinkeln, wie Ollowain die Hand auf den Schwertgriff legte. »Was immer geschieht, Ganda, du bleibst hinter mir.«
EIN NEUER KÖNIG
Eisiger Wind schnitt Skanga ins Gesicht, als sie den flachen Hügel erklomm. Es war der Ort, an dem das Unglück seinen Anfang genommen hatte: der Albenstern, durch den sie Branbart und sein Heer ins Herzland hatte führen wollen. Sie spürte das stete Pulsieren der Kraftlinien, die sich hier schnitten. Nur sechs waren noch geblieben.
Auf der Ebene sammelten sich die Krieger. Sie bildeten deutlich abgegrenzte Gruppen. Noch bevor ein halber Tag nach dem Verschwinden des Königs verstrichen war, hatten die Machtkämpfe unter den überlebenden Herzögen begonnen. Sie alle wussten, dass eine Seele, die im Nichts verloren ging, nicht mehr wiedergeboren werden würde. Damit wäre die Königslinie erloschen. Nun würde allein Stärke darüber entscheiden, wer künftig über die Trolle herrschte. Skanga hatte das kommen sehen, deshalb hatte sie sich mit ihrer Rückkehr so sehr beeilt. Trotz ihrer Angst vor den Yingiz war sie erneut in das Wegenetz getreten, um hierher zurückzukehren.
Tausende Krieger umringten den Hügel. Wie ein Meer aus Lichtern in der Finsternis wirkten ihre Auren. Die alte Schamanin hätte nicht zu hoffen gewagt, dass so viele überlebt hatten. Nicht einmal ein Viertel des Heeres war vom Nichts verschlungen worden. Ihr Volk hatte einen schweren Schlag
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