Elfenliebe
Leute ergänzen ihr Getränk mit Alkohol und du machst das Gegenteil.«
»Ich bestimme mein Schicksal selbst.«
»Und was ist jetzt übrig geblieben? Zuckerwasser?«
Laurel zuckte die Achseln und nahm einen kleinen Schluck. »Könnte man so sagen.«
»So lecker, wie das klingt, hole ich mir doch lieber Nachschub von der Bowle, vielen Dank.«
»Alki!«, rief sie ihm neckend nach, ehe sie mit ihrem Zuckerwassergetränk in den leeren Flur ging, froh, den Menschenmassen zu entkommen. Eigentlich reichte es ihr und sie wäre gern nach Hause und ins Bett gegangen. Aber die Party würde mindestens noch eine Stunde weitergehen, wenn nicht zwei oder gar drei, und sie wusste, dass David gerne bis zum Schluss blieb.
Na ja, eine Stunde würde sie es schon noch aushalten. Hoffentlich.
Laurel schlenderte zu einem hohen, schmalen Fenster zwischen zwei ähnlichen Ballerina-Gemälden, lehnte ihre Stirn an die kalte Scheibe und sah in die Nacht hinaus. Vor dem Fenster erregte plötzlich etwas ihre Aufmerksamkeit – eine fast unsichtbare Bewegung. Im Schein des erleuchteten Hauses rührte sich erneut eine dunkle Gestalt. Laurel bemühte sich, mehr zu erkennen. War das vielleicht ein Tier? Möglicherweise ein Hund? Aber dafür war die Gestalt zu groß. Sie stand halb verborgen im Schatten eines großen Baumes, sodass Laurel nur Umrisse erkennen konnte. Doch dann hob das Wesen den Kopf und ein schwacher Lichtstrahl beleuchtete mit grotesker Deutlichkeit ein blasses, verformtes Gesicht. Laurel wich rasch von der Scheibe zurück; sie hatte einen Kloß im Hals und keuchte. Nachdem sie langsam bis zehn gezählt hatte, wagte sie einen weiteren Blick.
Er war weg.
Sein Verschwinden erschien Laurel fast ebenso unglaublich wie ihre Entdeckung, als bliebe nur ein leerer Lichtkreis, wo eben noch das Ungeheuer gewesen war.
Und wenn ich mir das nur eingebildet habe? Ihre Hände zitterten noch immer, während sie sich das entstellte Gesicht wieder vor Augen rief – das eine Auge lag drei Zentimeter unter dem anderen, der Mund war eine verdrehte Schnauze, die Nase unfassbar verbogen. Nein, das hatte sie wirklich gesehen.
Laurel wurde von Angst geschüttelt. Sie musste David suchen.
Sie riss sich zusammen und ging von Zimmer zu Zimmer, bis sie von Panik ergriffen wurde, weil sie alle und jeden fand, nur David nicht. Endlich entdeckte sie ihn in einer Ecke in der Küche, wo er mit einem Stück Pizza in der einen und einem Getränk in der anderen Hand mit mehreren Jungen zusammenstand. Sie ging zu ihm und gab sich ruhig. »Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte sie mit einem aufgesetzten Lächeln. Dann führte sie ihn von den anderen weg und flüsterte ihm ins Ohr: »Draußen ist ein Ork.« Ihre Stimme bebte.
Davids Lächeln war wie weggewischt. »Bist du sicher? Ich meine, wir sind beide höllisch nervös. Und das, obwohl seit Monaten keiner aufgetaucht ist.«
Laurel schüttelte wild den Kopf. »Nein, da ist einer, ganz bestimmt. Irrtum ausgeschlossen. Er ist meinetwegen hier. Ah!« Sie stöhnte leise. »Wie konnte ich nur so dumm sein?«
»Halt, Moment mal«, sagte David und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du kannst nicht wissen, ob er wirklich deinetwegen hier ist. Warum sollten sie ausgerechnet jetzt angreifen, aus heiterem Himmel? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Doch. Jamison hat es vorhergesagt. Und genau so ist es gekommen!« Ihre Hände zitterten, während sie weiterredete wie ein Wasserfall. Sie hatte solche Angst. »Ich bin die ganze Zeit so vorsichtig gewesen, und kaum bin ich etwas weniger wachsam, tauchen sie auf. Genau, wie Jamison gesagt hat. Sie haben mich bestimmt beobachtet – und darauf gewartet, dass ich meine Ausrüstung vergesse. Ich bin die Fliege, David. Ich bin die dumme, dämliche Fliege!«
»Was für eine Fliege? Laurel, beruhige dich bitte. Ich verstehe kein Wort. Du hast deine Ausrüstung vergessen?«
»Genau! Das ist ja das Problem! Ich habe nur ein paar Basismittel in der Handtasche. Eigentlich wollte ich meinen Rucksack mitnehmen und bei dir im Auto lassen, aber das habe ich total verschwitzt.«
»Okay.« David zog sie weiter von den anderen Gästen weg. »Wir müssen nachdenken. Was hast du denn mitgenommen?«
»Zwei Monastuolo-Seren. Mit denen kann man Orks in Schlaf versetzen.«
»Bestens, damit kommen wir doch über die Runden.«
Laurel schüttelte den Kopf. »Sie wirken nur in geschlossenen Räumen, und auch das nicht sofort. Sie sind für eine geplante Flucht gedacht, nicht für
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