Elfenliebe
behutsam durch die Massen lenkte, war es mühevoll, vorwärtszukommen.
»Was macht man eigentlich genau bei so einem Fest?«, fragte Laurel und wich einer Gruppe von Elfen aus, die sich mitten auf der Straße unterhielten.
»Das kommt ganz drauf an. Heute gehen wir zum Großen Sommertheater und sehen uns eine Ballettaufführung an. Danach versammeln sich alle auf der großen Wiese zu Musik, Buffet und Tanz.« Tamani zögerte. »Dann gehen die einen schon, während andere noch bleiben. Die Feier geht jedenfalls weiter, bis alle restlos zufrieden zu ihren Aufgaben zurückkehren. Jetzt bitte da lang.« Er zeigte auf einen sanft geschwungenen Hügel.
Ein Stückchen hügelaufwärts kam die Arena in Sicht. Im Gegensatz zur Akademie, die größtenteils aus Stein erbaut war, oder zu den Behausungen der Sommerelfen, die hauptsächlich aus Glas bestanden, wurden ihre Mauern von lebendigen Bäumen gebildet, so wie bei Tamanis Mutter. Doch wenn sie dort rund und hohl waren, so präsentierten sich diese schwarzrindigen Bäume flach und gedehnt. Sie lagen in Schichten übereinander, um eine feste Holzmauer zu erschaffen, die mindestens fünfzehn Meter hoch aufragte. Dichtes Blattwerk wucherte darüber, und seidene Tapeten, herrliche Wandgemälde sowie Statuen aus Marmor und Granit schmückten wahllos, wie es schien, das mächtige Gemäuer, um ihm einen festlichen Anstrich zu geben. Es dämpfte Laurels Begeisterung ein wenig, als sie sich anstellen mussten, um ins Kolosseum zu gelangen. Alle, die in der Schlange anstanden, waren festlich gekleidet, doch niemand so fein wie sie. Schon wieder falsch angezogen.
Seufzend wandte sie sich an Tamani. »Das dauert ja ewig.«
Tamani schüttelte den Kopf. »Das ist nicht der richtige Eingang für dich.« Er zeigte nach rechts und geleitete sie weiter durch die Menge, bis sie an einen schmalen Torbogen gelangten, der ungefähr fünfzehn Meter vom Haupteingang des Kolosseums entfernt lag. Zwei große Wachtposten in dunkelblauer Uniform standen rechts und links der Pforte.
»Laurel Sewell«, teilte Tamani ihnen leise mit.
Der eine Mann musterte Laurel kurz, ehe er wieder Tamani ansah. Aus einem für Laurel unerfindlichen Grund ließ er seinen Blick über Tamanis Arme schweifen, bevor er den Mund aufmachte. »Am-fear-faire für eine Herbstelfe?«
»Fear gleidheidh«, berichtigte Tamani ihn nach einem unbehaglichen Blick auf Laurel. »Ich bin Tamani de Rhoslyn. Beim Auge der Hekate, Mann, ich habe gesagt, das ist Laurel Sewell.«
Der Wachtposten reckte sich ein wenig und nickte seinem Kameraden zu, der die Pforte öffnete. »Tretet ein.«
»Fear-glide?«, fragte Laurel. Kaum hatte sie das Wort ausgesprochen, merkte sie schon, wie falsch es aus ihrem Munde klang. Sie erinnerte sich daran, wie Jamison ihr im Frühsommer Am-fear-faire erklärt hatte, aber dieser Ausdruck war ihr neu.
»Es bedeutet, dass ich dich … begleite«, erwiderte Tamani mit gerunzelter Stirn. »Als ich ihm deinen menschlichen Nachnamen nannte, nahm ich an, er würde merken, wer du bist, und nicht so ein Theater
machen. Aber er wurde eindeutig nicht auf dem Landgut ausgebildet.«
»Auf dem Landgut?« Wieso führte jede Unterhaltung mit Tamani zu einem Crashkurs in Elfenkultur?
»Nicht jetzt«, wehrte er sanft ab. »Ist nicht so wichtig.«
Das fand Laurel auch, als sie sich im Inneren des weitläufigen Kolosseums umsah. Sie verschwendete keinen Gedanken mehr an ihre Fragen, so begeistert war sie.
Die Mauern des Kolosseums waren um eine steil abfallende Senke an der Spitze des Hügels angelegt. Laurel stand auf einem ausgedehnten Theaterbalkon, einem Auswuchs dicht verflochtener Äste, die aus den lebenden Mauern des Kolosseums ragten. Bis auf drei verzierte goldene Sessel, die auf einem Podium in der Mitte des Logenranges standen, waren alle anderen Stühle aus Holz, mit roten Seidenkissen und Armlehnen, die nahtlos aus dem Boden wuchsen. Die Anordnung verriet, dass es darum ging, möglichst gut zu sehen, und nicht, den Raum bis auf den letzten Platz zu füllen.
Am Haupteingang strömten die Elfen hinein und verteilten sich im Erdgeschoss, das genau genommen aus dem grünen Hügel selbst bestand. Unter dem Balkon konnte man nicht sitzen, aber die Elfen drängten sich freundschaftlich zusammen, um so nah wie möglich an die größte Bühne zu gelangen, die Laurel je gesehen hatte. Sie war in weiße, mit Tausenden von Kristallen übersäte Seidenvorhänge gehüllt, die sanft in der Brise wehten und das gesamte
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