Elfenlord
unschuldig und starrte Chalkhill direkt an.
Chalkhill fiel die Kinnlade runter. »Woher wussten Sie das?«
Das Ganze hier führte sie nirgendwohin. Oder es führte sie vielleicht sogar irgendwohin, aber sie wusste einfach nicht weiter. Was bedeutete es schon, wenn Chalkhill und Brimstone wieder ihre alten Tricks versuchten? Was bedeutete es schon, ob sie dem Purlisa nun trauen konnte oder nicht? Was bedeutete es, wenn sie alle die Wahrheit sagten und es wirklich eine Art Monster dort drinnen gab? Das Einzige, was etwas bedeutete, war Henry. Sie machte wieder einen Schritt auf den Eingang zu.
»Bitte …«, sagte Chalkhill.
Etwas in seiner Stimme ließ sie innehalten. Sie sah ihn wieder an. »Warum wollen Sie nicht, dass ich da hineingehe?«
»Ihr werdet getötet werden«, flüsterte Chalkhill.
»Warum sollte Sie das kümmern?«, fragte Blue kalt.
»Ich arbeite für Madame Cardui«, sagte Chalkhill.
Das war so vollkommen unvorstellbar, dass es schon wieder wahr sein konnte. Blue spürte, wie ihr die Kinnlade runterfiel, und schloss schnell den Mund. Chalkhill war schon gerissen genug, da musste er nicht auch noch sehen, dass er sie kalt erwischt hatte. Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. Madame Cardui hatte Chalkhill nie erwähnt, aber das passte absolut zu ihr. Als Geheimdienstchefin des Elfenreiches steuerte sie alle möglichen Unternehmungen, über die sie mit niemandem sprach. Nicht einmal mit ihrer Kaiserin. Manchmal, das hatte Blue schon vor langer Zeit bemerkt, erst recht nicht mit ihrer Kaiserin. Und auch Chalkhill hatte Erfahrungen in der Spionage. Er hatte für Lord Hairstreak spioniert. Verdammt, er war Lord Hairstreaks Geheimdienstchef in den bösen alten Zeiten gewesen, als ihr Onkel eine echte Bedrohung für das Elfenreich gewesen war. Also konnte es durchaus sein, dass Chalkhill jetzt für Madame Cardui arbeitete. Er wäre nicht der erste Agent Hairstreaks, den sie zu ihrem eigenen Vorteil umgedreht hatte. Die Frage war, in welcher Funktion?
»Sie hat Sie gebeten, nach mir Ausschau zu halten?«, äußerte Blue mit einem Stirnrunzeln. Es sollte eine Testfrage sein. Wenn Chalkhill tatsächlich log – und Blue nahm sehr stark an, dass er das tat –, dann würde er ihre Version aufgreifen, da er nicht darüber informiert war, dass Madame Cardui Blue bis vor einigen Tagen selbst begleitet und sie nur aufgrund einer gänzlich unerwarteten Entwicklung verlassen hatte. Unter solchen Umständen hätte Madame Cardui niemals einen Agenten angewiesen, Blue zu folgen.
Aber Chalkhill schüttelte den Kopf. »Sie hat mich gebeten, Silas Brimstone zu beschatten.«
Das ergab einen Sinn; zumindest irgendeinen. Da er sein alter Partner war, wäre Chalkhill schon die logische Wahl, um Brimstone zu beschatten. Also sagte Chalkhill vielleicht doch die Wahrheit. Zeit, ihn abzuklopfen. »War es Brimstone, der die Schlange in dieser Höhle heraufbeschworen hat?«
»Ja.«
Das bestätigte exakt das, was der Purlisa behauptet hatte. »Das hat auch der Purlisa gesagt«, murmelte Blue.
»Wer?«, fragte Chalkhill.
Die Frage klang echt, was bedeutete, dass er den Purlisa nicht kannte. Blue sagte: »Warum?«
»Warum was?«
»Warum hat Brimstone die Schlange heraufbeschworen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Chalkhill. »Aber wenn Sie da hineingehen, sind Sie tot. Ich bin nur mit Müh und Not entkommen.«
Aber irgendwie log er doch. Da war sich Blue sicher. Nur: was war es? »Sie waren in der Höhle?«
»Als er sie heraufbeschwor? Ja. Es war das Schrecklichste, was ich je gesehen habe. Ohne den Begleitschutz einer ganzen Armee würde ich da nicht reingehen und selbst dann würde ich es mir zwei Mal überlegen.« Er sah sie flehend an, als wollte er sie tatsächlich unbedingt davon abhalten, in die Höhle zu gehen.
Blue sagte: »Ist Henry da drinnen?«
Chalkhill blinzelte? »Henry?« Er schüttelte den Kopf. »Nein …« Sie konnte beinahe hören, wie er dachte:
Wer ist Henry?
, als wäre Henry das Letzte, an was er dachte.
Dieses Mal klang er wieder echt, aber sie war sich auch jetzt überhaupt nicht sicher. Wie auch immer: wenn Henry nicht in der Höhle war, brauchte sie sich auch nicht der Schlange zu stellen. (Wenn da überhaupt eine Schlange war.) Sie musste überhaupt nicht dort hineingehen.
Was sicher genau das war, was Chalkhill wollte.
Aber wie konnte man Chalkhill trauen? Der Mann war eine Kröte und war es immer schon gewesen. Warum sollte er wollen, dass sie nicht in die Höhle ging? Die
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