Elfenmeer: Roman (German Edition)
Liadan wahr, wie der Elf von einem Bein aufs andere trat. »Ich meinte … ich meinte ja auch, dass der Korallenfürst … er lässt Euch durch mich mitteilen …«
»Ich habe die Botschaft schon verstanden.« Sie rührte sich weiterhin nicht, und so räusperte sich der Elf erneut.
»Wenn Ihr mir dann folgen würdet?«
»Wohin?«
»Na, zum Korallenfürsten.«
»Weshalb?«
Einen Moment lang war es still, doch dann krächzte der Elf: »Der Korallenfürst hat nach Euch geschickt.«
»Ihr sagtet, er ließe mir mitteilen …«
»Bitte begleitet mich doch einfach.« Verzweiflung klang aus der Stimme des Elfen, und beinahe hätte Liadan Mitleid mit diesem einen ihrer Entführer empfunden, doch sie war nicht gewillt, sich vom Korallenfürsten herumkommandieren zu lassen.
»Ich sehe mir gerade den Sonnenuntergang an«, sagte sie also, ohne den Elfen eines Blickes zu würdigen. »Ich bleibe, wo ich bin.«
»Aber …«
»Ich sagte, ich bleibe.«
Einen Moment lang regte der Elf sich nicht, doch dann entfernte er sich endlich, und Liadan konnte weiterhin die letzten friedvollen Momente genießen, ehe zweifelsohne ein anderer Elf in ihre Ruhe dringen würde.
Sie musste nicht lange warten, um ihre Ahnung bestätigt zu bekommen, denn schon kurze Zeit später kam der Korallenfürst persönlich zu ihr. Die Arme vor der Brust verschränkt schlenderte er mit selbstzufriedener Miene auf sie zu.
»Wir sind da.« Er trat an ihre Seite und wies mit einer knappen Handbewegung auf die unendlich scheinende Meeresoberfläche. Wohin Liadan auch blickte, überall war funkelndes Wasser. Einzig zu ihrer Rechten durchbrachen ein paar scharfkantige Felsgebilde die Oberfläche. Ihre glatten Hänge schimmerten blutrot unter den letzten Strahlen der Sonne.
»Wo ist ›da‹?«, wollte sie wissen und blickte zum Korallenfürsten auf. Sie hatte versucht, anhand der Sonne und Sterne den Weg zu bestimmen, den sie seit dem Befreiungsversuch nahe der Dracheninsel zurückgelegt hatten, doch sie war gescheitert. Das Einzige, was sie wusste, war, dass sie sich gen Südwesten gehalten hatten, also nahm sie an, dass sie sich südlich von Tantollon befanden, aber wo genau, vermochte sie nicht zu sagen.
Der Korallenfürst warf ihr einen kurzen Blick zu, einen Mundwinkel amüsiert zur Seite gezogen. »Ihr wollt den genauen Standpunkt des Palastes wissen?« Er wiegte den Kopf hin und her, als würde er darüber nachdenken, doch dann seufzte er in gespieltem Bedauern. »Was würde Euch das nützen? Keines Eurer Schiffe könnte sich dem Palast auch nur nähern.«
»Weshalb?«
»Ihr werdet sehen.« Unvermittelt sprang er auf die Reling des Vordecks und streckte ihr die Hand entgegen. Mit der anderen Hand hielt er sich an einem Tau fest.
»Was?« Liadan ließ ihren Blick über das Schiff wandern, um das sonderbare Verhalten des Fürsten zu verstehen, doch die Mannschaft holte gerade die Segel ein und machte sich bereit zum Ankern. Andere begaben sich zum tiefer liegenden Oberdeck und bereiteten das Beiboot vor.
»Folgt mir«, bat der Korallenfürst und wies auf seine Hand.
Liadan trat einen Schritt zurück. »Wohin?«
»Ihr wollt doch den Palast besuchen.«
Erneut sah sie sich um, konnte aber keinen Hinweis auf einen Palast finden. Sie wusste, er sollte unter dem Meer verborgen sein, aber irgendwo musste sich doch der Eingang befinden.
»Ich glaube, Ihr spielt mit mir«, erklärte sie und rührte sich nicht vom Fleck.
Der Korallenfürst schmunzelte. »Nur ein wenig.« Er lehnte sich weiter vor. »Das heißt aber nicht, dass ich Euch den Palast nicht zeigen werde. Nun kommt schon. Vertraut mir.« Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, und in seinen Silberaugen lag eine deutliche Herausforderung.
Liadan verfluchte ihn dafür. Sie hatte keine Ahnung, was der Korallenfürst im Schilde führte, wollte sich vor ihm jedochauch keine Blöße geben und sich ängstlich zeigen. Sie meinte, die Blicke anderer Elfen auf sich zu spüren, und hörte manche tuscheln. Bestimmt fragten sie sich, ob ihre Königin so verrückt sein würde, auf diese Reling zu steigen.
Es mangelte ihr nicht an Mut, das wusste sie, doch der Gedanke an die Folgen ließ sie zögern. Wie konnte sie die Hand des Korallenfürsten ergreifen, nachdem dieser vor nicht allzu langer Zeit ein vollbesetztes Schiff ihrer Flotte vernichtet hatte? Wie viele ihrer Ritter mochten ertrunken sein, ehe die Kristallkönigin zu ihrer Rettung gelangt war? Die Piraten hatten diesen Moment und die Magie
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