Elfenmeer: Roman (German Edition)
genutzt, um der Übermacht zu entkommen, und seither sah Liadan nur noch sinkende Elfen in ihren Rüstungen vor sich.
Wenn sie jetzt dem Korallenfürsten nachgab, konnte dies von den Piraten als Zeichen ihres Einlenkens gedeutet werden. Als Schwäche.
Liadan straffte die Glieder. Allerdings wäre eine Weigerung ebenso wenig nutzbringend, und sie musste den Palast sehen. Seufzend ergriff sie mit einer Hand das straff gespannte Tau und stützte sich mit der anderen auf die Reling. Ihr zerrissenes Kleid verschaffte ihr genügend Beinfreiheit, um mit einem Mindestmaß an Würde auf die Reling zu klettern und ohne die Hilfe des Korallenfürsten darauf zum Stehen zu kommen.
»Nun, ich bin hier.« Sie hob ihr Kinn und sah zum Korallenfürsten auf. »Wo ist nun Euer großartiger Palast?«
»Hier.« Seine Hand schloss sich um ihren Arm, und im nächsten Moment zog er sie mit einem Ruck zu sich, sodass ihre Finger vom Tau abglitten. Liadan verlor das Gleichgewicht und schrie auf. Sie wollte sich an der Weste des Korallenfürsten festkrallen, doch der versetzte ihr einen letzten kräftigen Stoß und Liadan fiel mit den Armen rudernd zurück.
Da war nichts mehr. Kein Halt, kein Boden, sie fiel und fiel.Die Augen weit aufgerissen starrte sie auf das Bild des Korallenfürsten, der ihr von seinem Schiff aus hinterherblickte, und im nächsten Moment schwappte Dunkelheit und Kälte über sie.
Ihre Brust zog sich zusammen, und als sich ihr Mund mit salzigem Wasser füllte, brandete lodernder Zorn in ihr auf.
»Ihr!« Prustend kam sie wieder an die Wasseroberfläche und wischte sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Wie könnt Ihr es wagen!« Wellen umspülten sie, die vom Schiffskörper noch verstärkt wurden, und Liadan hatte Mühe, sich über Wasser zu halten. Immer wieder schwappte ihr welches in den Mund, und fast hätte sie sich daran verschluckt.
Der Korallenfürst lachte, und Liadan wurde bei diesem Klang nur noch wütender. Noch nie hatte sie den Elfen lachen gehört, nicht richtig, nicht ehrlich, und dass er seinen Humor ausgerechnet auf ihre Kosten finden musste, machte sie sprachlos. Schwer atmend blickte sie zu ihm und den anderen Piraten auf, die allesamt grölten und kicherten. Selbst die Mannschaften der anderen Schiffe, die neben der Freiheit ankerten, amüsierten sich köstlich.
»Ich bin wirklich froh, dass Ihr schwimmen könnt, Majestät!«, rief der Korallenfürst von seinem gewaltigen Schiff aus zu ihr herunter. »Ich dachte schon, ich müsste Euch retten. Aber heute ist mir nicht so danach, nass zu werden.«
»Ihr unverschämter, verräterischer, hinterhältiger …« Etwas schlang sich um ihren Fuß und ihre nächsten Worte gingen in einem Gurgeln mit ihr unter.
Liadan riss die Augen auf und fuchtelte mit den Armen. Sie versuchte, zurück an die Oberfläche zu gelangen, doch immer noch schloss sich etwas um ihren Knöchel. Angst und der Drang zu atmen schnürten ihr die Kehle zu. Verzweifelt sah sie sich in dem von rötlichem Licht erleuchteten Wasser umund erkannte plötzlich dunkles Haar, das zu ihren Füßen vorbeihuschte. Dunkelgrün, wie Algen.
Ihr Schrei sandte einzig sprudelnde Blasen ins Meer hinaus, und ihre verstärkten Versuche, dem Griff zu entkommen, blieben wirkungslos.
Mit rasendem Herzen beugte sie sich hinunter und wollte die Finger von ihrem Knöchel lösen, doch da packte jemand ihren Arm und zog sie in die andere Richtung. Im nächsten Moment ergriff jemand ihren zweiten Arm. Sie wurde herumgerissen, und alles begann sich zu drehen. Immer wieder sah sie grüne Augen inmitten des blutroten Wassers aufleuchten, die sie anstarrten, und Liadan konnte nicht glauben, dass der Korallenfürst sie entführt hatte, nur um sie dann den Meerjungfrauen zu opfern.
Sie vergiftet uns , hörte sie eine unangenehm hohe Stimme in ihrem Kopf. Lasst es uns jetzt beenden, und niemals wieder werden Schattenkristalle dem Meer seine Magie rauben .
Ein weiterer ihrer Schreie blieb ungehört, und allmählich ging Liadan die Kraft zu kämpfen aus. Eine Flosse peitschte knapp vor ihr auf und traf sie mit schmerzhafter Wucht gegen die Brust. Die Meerjungfrauen wollten sie tatsächlich töten.
Tut das nicht , sandte sie ihre Gedanken hinaus. Ich habe euch kein Leid zugefügt.
Sie wollte sich bewegen, doch Arme und Beine waren immer noch im festen Griff der Meereswesen, und der Drang zu atmen schmerzte in ihrer Brust.
Sie spürte das Wasser auf ihrer Haut und wie es über sie strich, so als wäre sie
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