Elfenmeer: Roman (German Edition)
sie sah es als ihre Aufgabe an, hier zu verharren und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Königin zu helfen.
Immer noch führten Ritter die wartenden Elfen von der Treppe, und da kam plötzlich Valuar an ihr vorbei – in der Rüstung eines Silberritters, das Schwert des berühmtesten Silberritters pendelte bei jedem Schritt an seiner Seite. Diesen Anblick würde sie wohl niemals ungerührt hinnehmen können.
Plötzlich blieb Valuar vor ihr stehen. Marinel biss die Zähne zusammen und hielt den Atem an. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, ging dann weiter, hielt nach zwei Schritten wieder inne und drehte sich schließlich zu ihr um.
»Marinel.«
»Valuar.«
Sie blickten sich in die Augen, und obwohl Valuar glaubte, sie könnte sich an nichts erinnern, musste er doch den Hass in ihrem Blick sehen können.
»Was willst du noch hier?«, fragte er, und seine regungslose Miene büßte durch seine nervös aneinanderreibenden Finger etwas an Natürlichkeit ein. »Du solltest hinausgehen. Dies ist kein Ort für …«
»… ein Stallmädchen?« Sie straffte ihre Glieder und richtete sich auf, obwohl sie dadurch ihr kaputtes Knie belasten musste. Doch für diese wenigen Augenblicke konnte sie den Schmerz ertragen.
Valuar hakte die Daumen seiner unruhigen Hände in den Schwertgurt und blickte auf sie hinab. »Du kannst hier nichts tun. Der Befehlshaber und die Fürsten werden die richtigen Entscheidungen treffen.«
»Ich bleibe hier.«
»Marinel, bitte …«
»Ich bleibe hier.«
Sein Kiefer spannte sich an. »Du kannst nicht …«
»Dann musst du mich schon hinaustragen, Valuar. Ich bleibe hier.«
Seine anthrazitfarbenen Augen schienen sie zu durchbohren, sein Blick haftete auf ihr, und Marinel hatte Mühe, ihm standzuhalten. Sie wusste nicht, weshalb es ihr so schwerfiel. Hätte er sie mit Zorn, Abscheu oder Hass angesehen, wäre es leichter gewesen. Sie konnte mit nichtssagenden und kalten Blicken ebenso umgehen wie mit herablassenden. Doch Valuars Gesicht las sich stets so leicht wie ein Buch, und in diesem Moment wirkte er verzweifelt. Sein Blick hatte fast schon etwas Flehendes, und dafür hätte sie ihn am liebsten geohrfeigt. Er verwirrte sie damit, machte es ihr unbegreiflich zu verstehen, weshalb er ihr das angetan hatte. Wenn er sie nicht hasste, warum hatte er sie dann fallen lassen? Wieso dieses offensichtliche Bedauern? Er machte sie krank.
»Ich bleibe«, wiederholte sie, und Valuars schnelles Blinzeln ließ annehmen, dass sie ihn aus tiefen Gedanken gerissen hatte. Er seufzte und strich sich das lange Haar zurück.
»Es ist dir nicht erlaubt, Marinel. Nur Angehörige des Adels, die Wachen und Ritter dürfen …«
»Welch Glück für dich, dass du dazugehörst.«
»Marinel …« Fragend und eindringlich sah er sie jetzt an. Er hob seine Hand, als wolle er ihren Arm berühren, ließ sie dann aber in der Luft hängen und wieder an seine Seite sinken. Marinel hielt seinem Blick stand. Du hast mich fallen lassen , versuchte sie ihm stumm zu sagen. Du hast einfach losgelassen. Und ich dachte, du wärst mein Freund. Doch sie sprach die Worte nicht aus, brachte sie nicht über die Lippen, auch wenn sie manchmal das Gefühl hatte, an ihnen zu ersticken.Sie wollte keine Ausflüchte und Lügen hören, keine Erklärungen oder Entschuldigungen. Er hatte losgelassen, und nichts, was er sagte, könnte das Geschehene wiedergutmachen.
»Dann bleib hier«, sagte er und sah sie noch einen Augenblick an, ehe er sich abwandte und davonging. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Sternensaal und die Fürsten kamen heraus. Der Befehlshaber – der jetzt aufgrund der Abwesenheit der Königin auch Regent über Elvion war – kam zuletzt, gemeinsam mit Fürst Averon aus Riniel. Die beiden hielten sich abseits und steckten die Köpfe zusammen wie geheime Verschwörer. Dann hob der Befehlshaber den Blick, schien Marinel kaum zu bemerken und rief Valuar zu sich. Der neu ernannte Silberritter blieb stehen und verharrte einige Augenblicke reglos, ehe er sich wieder zu ihnen umdrehte und auf den Befehlshaber und Fürst Averon zuging. Marinel schlich ebenfalls sofort näher heran, um zu hören, welchen Auftrag Valuar bekam. Sie hielt sich hinter den beiden Männern und versuchte, so leise wie möglich zu atmen, während sie auf den dunklen Umhang vor sich starrte.
»Du wirst Fürst Averon und seinen Neffen Trival nach Riniel begleiten«, sagte der Befehlshaber in ungewohnt ernstem Ton. Der Elf war für seinen
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