Elfenmeer: Roman (German Edition)
einen entsetzten Blick und sahen sich schließlich wie alle anderen unter den vielen Herumstehenden um. Ihre Befürchtung schien sich zu bewahrheiten: Die Königin war fort.
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»Mein Herr!« Marinel stolperte auf den Befehlshaber zu, der gerade seine Ritter zur Durchsuchung der Burg aussandte. »Mein Herr!« Sie winkte und wäre beinahe über ein umgekipptes Brandbecken gestolpert. Elrohir packte gerade noch ihren Arm und zog sie weiter.
Der Befehlshaber wandte sich ihr zu, und seine Augen verengten sich. Dann aber kam er ihr mit großen Schritten entgegen. Sein Blick glitt an ihr entlang, von den Haaren bis zu den Zehenspitzen. »Marinel, du liebe Güte, ist dir etwas passiert?«
Er legte seine Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen, als könne er den Grund für ihre Aufregung darin lesen. Er war nicht sehr hochgewachsen, und so befand sich Marinel beinahe auf Augenhöhe mit ihm. Seine ungewöhnlich breite Statur und das kantige Gesicht ließen ihn aber mächtiger erscheinen.
»Mein Herr«, brachte sie hervor, »die Königin …«
»Wir werden sie finden. Mach dir keine Sorgen.« Er wandte sich an Elrohir. »Gib auf deine Freundin acht, Junge. Bring sie ins Warme, hier könnt ihr nicht helfen.«
Er wollte sich abwenden, doch Marinel packte ihn am Hemdärmel, der nicht von der Silberrüstung verdeckt wurde. Die Brustplatte erweiterte sich oben über die Schultern, ließ die Arme aber frei. Lediglich Armschienen, die bis zum Ellbogen führten, schützten vor Hieben und Stichen. An den Oberarmen flatterte derselbe dunkle Stoff wie der seines Umhangs.
Der Befehlshaber blickte auf seinen Arm hinab und dann in ihre Augen. Er schien etwas sagen zu wollen, doch Marinel ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Mein Herr!«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich habe eine Botschaft gefunden! Kurz bevor … also kurz vor dieser … kurz …«
»Kurz vor der Riesenwelle«, half Elrohir ihr aus, und Marinel nickte heftig.
»Ja! Die Botschaft wurde an den Strand gespült, sie befand sich in einer Muschel und …«
»Marinel.« Die Stimme des Befehlshabers war ruhig, aber bestimmt. Marinel verstummte und sah zu, wie der Befehlshaber ihre Finger von seinem Gewand löste. Immer noch fühlte sie sich der Welt nicht richtig zugehörig. Vorhin hatte sie noch gedacht, sterben zu müssen, und jetzt …
»Wovon redest du?«, verlangte der Befehlshaber zu wissen. »Du hast dir doch wohl nicht den Kopf angeschlagen?«
»Nein!« Sie ließ ihren Blick über den Strand schweifen, aber es war zu finster, um Genaueres zu sehen, jetzt, da die Brandbecken erloschen waren. »Jemand hat die Königin entführt!«
»Entführt?« Der Befehlshaber horchte auf, und obwohl immer noch Skepsis in seinem Blick lag, schien er sie nun doch ernster zu nehmen. »Erzähl mir alles.«
Marinel atmete tief durch und versuchte, sich an den genauen Wortlaut des Briefes zu erinnern. »Eine Muschel wurde an den Strand gespült«, erzählte sie ihm, »darin war eine Nachricht von einem gewissen … Korallenfürsten. Ich muss sie verloren haben, als die Welle kam und …«
»Eine Nachricht«, wiederholte der Befehlshaber, und sein Blick glitt an ihr vorüber.
Marinel hatte Mühe, nicht laut zu schreien. So kämen sie nie weiter!
»Etwa eine Nachricht wie diese hier?«
Sie fuhr herum und riss die Augen auf. Das weiße Stück Tuch hob sich deutlich vom Felsgestein ab. Sorgfältig ausgebreitet, als hätte es jemand dort angebracht, haftete es neben der Tür zur Burg.
»Wie ist das möglich?« Marinel ging neben dem Befehlshaber her, und auch Elrohir folgte ihnen. »Ich habe sie verloren. Wie kommt sie jetzt dorthin?«
Der Befehlshaber nahm die Nachricht in die Hand und las mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Korallenfürst«, murmelte er, und es klang, als wäre ihm dieser Name geläufig. Marinel hatte keine Ahnung, wer dieser Fremde sein sollte. Ein Blick in Elrohirs Gesicht bewies, dass es ihm nicht anders erging.
»Was habt Ihr da, Befehlshaber?«
Marinel blickte auf und sah die Fürsten Elvions auf sie zukommen. Fürst Vlidarin aus Valdoreen war ebenfalls unter ihnen – Valuars Vater. Aber es war Fürst Averon aus Riniel gewesen, der gesprochen hatte.
Der Befehlshaber wandte sich ihnen zu. Sein Blick wanderte über den Strand, ehe er das Wort ergriff. »Meine Fürsten«, sagte er mit gesenkter Stimme. Das Tuch knüllte er in der Hand zusammen. »Ich hoffe, Ihr alle seid unverletzt.«
»Was ist mit der Königin?«, verlangte Averon zu
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