Elfenmeer: Roman (German Edition)
die Augen, ließ sich keinen Wimpernschlag entgehen und verbot ihr damit, ihre Aufmerksamkeit anderen zuzuwenden und mit ihren Gedanken abzuschweifen. Er machte sie zu seiner Gefangenen.
»Und deswegen sind wir auch heute hier«, warf Esteraz ein, ehe Marinel weitere Fragen stellen konnte. »Um dem Recht zu dienen. Sagt mir: Wie steht es um die Königin?«
Der Halbelf sah sie noch einen Moment lang an, ehe er sich über die sonderbar geschnittenen Haare strich und sich seinem Verbündeten zuwandte. »Sie trägt ihr Los mit Fassung. Ich hatte Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, und sie weiß nun, dass ich auf ihrer Seite bin, aber …« Die Linien um seinen Mund traten stärker hervor. »Ich weiß nicht, was der Korallenfürst mit ihr macht, um sie zur Aufgabe der Minen zu zwingen. DiePiraten sind verzweifelt und fürchten die Schattenkristalle. Ich kann nicht sagen, wie weit sie gehen.«
»Sie werden der Königin doch nichts antun?!« Esteraz machte einen Schritt auf den Halbelfen zu, und es fiel ihm sichtlich schwer, diesen nicht zu packen, um Informationen aus ihm herauszuschütteln. »So töricht können sie nicht sein. Sie müssen wissen, dass sie dann verloren sind.«
»Nun, Vernunft ist nicht gerade ihre Stärke«, erwiderte der Halbelf. »Und ihre Magie geht ihnen über alles. Sie wissen nun von eurem Plan.«
»Welchem Plan?«, fragte Marinel, woraufhin sich ihr erneut beide Augenpaare zuwandten. Der Blick des Halbelfen war wieder viel zu intensiv, als er die Stirn in Falten legte und sie unverhohlen musterte. »Als ich Euch aus der Ferne sah, Esteraz, hielt ich das Mädchen an Eurer Seite für eine unpassende Leibwache.« Er sprach, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Aber der erste Eindruck trog mich augenscheinlich. Schnell mit dem Schwert ist sie auf jeden Fall. Und genauso im Denken.«
Esteraz blickte gütig auf Marinel hinab. »Ich denke, wir können ihr vertrauen.«
»Ich verstehe nicht.« Marinel sah zwischen den beiden Männern hin und her und zwang sich, das unruhige Kribbeln zu ignorieren, das von dem sonderbaren Verhalten des Piraten herrührte. »Wovon sprecht ihr? Weshalb haben die Piraten die Königin entführt? Von welchen Gesetzen sprecht ihr und von welchen Minen?«
»Ihr solltet vorsichtig sein.« Der Halbelf blickte nun Esteraz an. »Ihr wisst: Je weniger davon Kenntnis haben, desto besser. Die Königin will nicht, dass auch nur ein Wort davon nach außen dringt. Zumindest noch nicht jetzt. Die Leute müssen es erst verstehen, das habt Ihr selbst gesagt. Und jetzt,da die Piraten davon wissen, ist unsere Mission in größter Gefahr. Weitere Mitwisser …«
»… sind ein Risiko, das ich bereit bin zu tragen«, erwiderte Esteraz. »Wenn wir die Königin befreien wollen, muss ich unter den Rittern einen Verbündeten haben, der weiß, um was sich all das hier dreht. Ich brauche jemanden auf der Hammer , der die Zusammenhänge versteht. Und diesem Fürstensöhnchen traue ich nicht weiter, als meine Schwertspitze reicht. Er ist ein Lichtelf, und es heißt, er habe sich bei seiner Ritterprüfung in der Magie behauptet. Er wird es nicht verstehen. Aber Marinel …« Er wandte sich ihr zu, und diesmal fühlte sie sich nicht nur dem Halbelfen, sondern auch dem durchdringenden Blick aus den Purpuraugen ausgesetzt. »Marinel ist eine von uns. Ich habe mich noch nie getäuscht.«
*
Die Musik der Fideln hallte von den weißen Steinwänden wider und verlor sich irgendwo in den Höhen des Himmels. Das Fest zu Ehren der Ritter der Königin fand im Palasthof unter einem klaren Sternenhimmel statt, wo sich der Fürst von Riniel und seine Anhänger aufwendig zubereiteten Speisen und zu Kopf steigenden Tränken hingaben. Die Ritter genossen die kurzweilige Unterhaltung und mischten sich unter Feuerspeier und Tänzer, während sich oben auf den Arkadengängen Grüppchen festlich gekleideter Elfen tummelten und ohne Zweifel über die Entführung der Königin und deren Folgen sprachen. Schatten flackerten über die Wände, und das Rauschen von Stimmen und Musikinstrumenten summte in ihrem Kopf.
Marinel saß auf einer Stufe zu den offenen Säulengängen, die den Palasthof säumten, und betrachtete die Tänzer. Welchnutzloser Zeitvertreib, das war schon immer ihre Meinung gewesen, und doch fühlte sie eine tiefe Sehnsucht in ihrer Brust. Dieses Gefühl war ihr nicht willkommen, ließ sich aber auch nicht vertreiben, denn die Trauer darüber, dass sie selbst sich nie wieder derart leichtfüßig bewegen
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