Elfenschiffe (Mithgar 03)
verursachten und das Blut in Wallung geraten ließen. Aylis sang dazu mit klarer, lieblicher Stimme, und als ihr Gesang endete, war kein Auge mehr trocken. Während Zwerge und Menschen unten vor der Treppe Wache standen, sodass kein Städter nach oben gehen konnte, erklommen doch viele Besatzungsmitglieder die Stufen und setzten sich oben in die Dunkelheit, wo sie scheinbar Selbstgespräche führten, mit der Luft scherzten und sich mit den Schatten Leckerbissen teilten.
Als das Fest endete, waren bereits die frühen Morgenstunden angebrochen. Draußen war der leichte Schneefall in ein Unwetter übergegangen. Es war der zweite Januartag, und die zwölf Jultage waren damit vorbei.
Der heulende Wind tobte die ganze Nacht und auch noch am Morgen. Aravan und Aylis lagen in der Wärme ihres Bettes, und der Elf hielt die Seherin in den Armen. Fahles Licht drang durch das Fenster, und Schnee wurde gegen die geriffelten Scheiben geweht. Irgendwann am späten Vormittag stützte Aravan sich auf einen Ellbogen, und seine saphirblauen Augen betrachteten Aylis’ Züge.
»Was?«, fragte sie, da sie sein forschender Blick erstaunte.
Er grinste. »Ich zähle die blassen Sommersprossen auf deiner Nase und deinen Wangen.«
»Es sind elf«, sagte Aylis.
»Elf?«
»Genau.«
»Nun, meine bezaubernde Chieran, ich zähle aber fünfzehn.«
Aylis riss die Augen auf. »Tatsächlich? Wo denn?« Sie sprang aus dem Bett, holte ihren Silberspiegel und huschte damit rasch wieder aus der Kälte unter das Laken. Aylis hob das polierte Silber und schaute hinein.
Aravans Grinsen wurde breiter. »Und nun habe ich bewiesen, dass du von uns beiden nicht der Einzige bist, der einen Spiegelzauber wirken kann, Chieran, denn jetzt sehe ich in diesem silbernen Rund meine wahre Liebe.«
Aylis brach in Gelächter aus. »Du bist ein Gaukler, mein Lieber, ein Taschenspieler.«
Aravan fiel in ihr Gelächter ein, und sie packte ihn, setzte sich auf ihn und hielt ihn mit ihrem Körper fest. »Gestehe, Schurke, sonst werde ich… werde ich…!« Aber dann küsste sie ihn und küsste ihn noch einmal, und aus Gelächter wurde Zärtlichkeit.
20. Kapitel
DIE SUCHE
Winter, 1E9574-75
[Die Gegenwart]
»Natürlich könnte ich jeden Feuerball so aussehen lassen, als ob es zehn wären«, schlug Alamar vor. »Dazu brauche ich nur den Äther zu beugen und das Licht zu teilen. Durlok würde sie nicht alle zur Explosion bringen können, bis der richtige das Schiff trifft.« Doch dann schüttelte der Alte den Kopf und knurrte: »Aber wie Ihr schon gesagt habt, Pysk, könnte er auch einfach Gebrauch von seiner Magiersicht machen und so den Trick durchschauen.«
Während der Wind rund um die Taverne heulte, und der Schnee gegen die Fenster schlug, saß Jinnarin da und überlegte einen Moment in aller Ruhe. »Es scheint ziemlich schwierig zu sein, einen Magier zu täuschen, was, Alamar?«
Der Alte warf sich in die Brust und zeigte darauf. »Jedenfalls ist es schwierig, diesen hier zu täuschen«, verkündete er.
Jinnarin hob die Augenbrauen. »Ach?«
Alamar nickte nachdrücklich. »Das ist etwas anderes, als Sterbliche und einfältige Fuchsreiter und dergleichen zu täuschen. Wir Magier sind außerordentlich auf der Hut vor Fallen. Schließlich haben wir den großen Vorteil, das astrale Feuer sehen zu können, und dadurch sind wir allen anderen Wesen überlegen.«
Jinnarin sah den Magier mit unschuldig geweiteten Augen groß an. »Ach, Alamar, ich bin ja so froh, dass Ihr mir das verraten habt.« Sie machte einen Schritt vorwärts und nahm eine Tokkofigur. »Stein zerschmettert Thron«, sagte sie, indem sie die Figur auf Alamars Thron fallen ließ. »Ihr habt verloren.«
Zuerst huschte ein Ausdruck der Überraschung über Alamars Gesicht, gefolgt von missmutigem Zorn. »Ihr habt mich schon wieder abgelenkt, Pysk! Das ist Betrug!«
Jinnarin sprang auf und baute sich vor dem Magier auf, die Hände in die Hüften gestemmt. »Ach? Betrug, ja? Wenn das Betrug ist, Alamar, schlage ich vor, dass Ihr einen Weg findet, wie Ihr Durlok genauso ›betrügen‹ könnt!«
Alamar drohte der Pysk mit der geballten Faust. »Wenn Ihr keine Frau wärt, und nicht so klein, würde ich Euch auffordern, mit mir nach draußen vor die Tür zu gehen!«
»Und wenn Ihr nicht so alt und klapprig wärt, Alamar, würde ich Euch beim Wort nehmen!«, konterte Jinnarin.
Sie standen schäumend da und funkelten einander an, und plötzlich fing Jinnarin an zu lachen. »Ihr seht aus
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