Elfenschiffe (Mithgar 03)
dem Schlaf. Ich kann es nicht ändern. Ihr könntet in Gefangenschaft geraten. Und ich würde Euch oder Ontah und auch sonst niemanden, in diesen furchtbaren Nachtmahr einsperren wollen.«
Sofort antwortete Aylis: »Ach, Jinnarin, wir sind doch nicht für immer gefangen, denn Ihr habt diesen Traum ja jede Nacht.«
»Nein, nein, Aylis, nicht jede Nacht«, protestierte Jinnarin. »Ihr wisst genau, dass ich diese Träume in letzter Zeit nicht mehr regelmäßig jede Nacht habe.«
Aravan wandte sich an Aylis. Seine Miene wirkte gefasst und seine Stimme beherrscht, doch in seinen Augen stand tiefe Besorgnis. Er redete leise, sehr leise, da seine Worte nur für ihre Ohren bestimmt waren. »Das ist allein Eure Entscheidung, Aylis, und niemand kann Euch hineinreden. Doch Ihr müsst lange und sorgfältig nachdenken, ehe Ihr diesen Schritt unternehmt, denn der Weg steckt voller Gefahren. Solltet Ihr zu Schaden kommen…«
Aylis ergriff Aravans Hand, doch sie sagte nichts.
Im Dunkel der Nacht im Lager auf der Klippe, schrak Jatu aus dem Schlaf. Was ihn geweckt hatte, konnte er nicht sagen. Im Licht des beinah heruntergebrannten Feuers sah er sich im Lager um und erblickte seine schlafenden Kameraden und einen zwergischen Wachposten. Jatu schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären, da er sein Erwachen auf ein Nachtgeräusch zurückführte. Doch als er sich wieder hinlegte, knisterte es an seiner Brust, und er fand ein Pergament in den Schnürbändern seines Wamses, eine Nachricht von Aravan. Wiederum sah Jatu sich um, doch von einem Boten war nichts zu sehen. Im Feuerschein las er die Nachricht:
Jatu:
Wir sind wohlauf und bei Tarquin. Er hat uns zu einem Waldbewohner namens Ontah gebracht, der ein Heiler ist. Ontah ist außerdem ein »Traumwandler« und schlägt vor, in Begleitung von Lady Aylis in Lady Jinnarins Traum zu reisen. Das könnte einige Tage dauern, denn Lady Jinnarin muss zuerst ihren Traum träumen, damit Ontah in ihm wandeln kann.
Bis zu unserer Rückkehr sende ich Euch alle drei Tage eine Nachricht. Solltet Ihr und Bokar in der Zwischenzeit entscheiden, auf die Eroean zurückzukehren, wird Euch ein kleines Signalfeuer auf der Klippe wissen lassen, dass ich wieder eine Botschaft geschickt habe.
Aravan
Noch während diese Nachricht von Tarquin auf Ris zu Jatu gebracht wurde, saßen Aylis und Ontah in dessen Blockhütte und berieten sich. Ein kleines Feuer brannte, das unstete, flackernde Schatten an die Wände warf. Ontah saß mit untergeschlagenen Beinen am Rande des Feuerrings, Aylis hockte ihm gegenüber auf ihren Fersen, und der alte Mann starrte mit seinen braunen Augen angestrengt durch die dünnen aufsteigenden Rauchschwaden in Aylis’ grüne Augen. Seine Stimme war leise.
[»In meiner Sprache gibt es ein Wort, das deinem Namen sehr ähnlich ist: Aylia. Es bedeutet Lichtschwinge.«]
Aylis neigte den Kopf. [»Als du das Wort ausgesprochen hast, kannte ich seine Bedeutung.«]
Ontah grinste, und sein Gesicht legte sich dabei in unzählige Fältchen. [»Ich muss dich bei einem Namen nennen, wenn wir traumwandeln.«]
Aylis erwiderte das Grinsen. [»Weiße Eule, es wäre mir eine Ehre, wenn du mich Lichtschwinge nennen würdest.«]
[»Gut. Ich hatte gehofft, du würdest den Sinn verstehen.«]
[»Ja?«]
Ontah nickte. [»Dieser alte Kopf hier hat schon über achtzig Sommer erlebt, und alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Ich hatte befürchtet, ich würde deinen Namen vergessen und dich ohnehin Lichtschwinge nennen, und ich wollte, dass du es weißt.«]
Aylis betrachtete den alten Mann, und in ihrer Brust schien sich etwas zu verkrampfen. Du meine Güte, er ist erst etwas über achtzig, aber er sieht aus wie ein Magier, der alle seine Macht verbraucht hat. Aber schließlich ist er ja auch ein Mensch…
Ontah warf noch etwas Holz ins Feuer, und seine Worte rissen Aylis aus ihren Grübeleien. [»Lichtschwinge, hattest du je einen Traum, in dem du wusstest, dass du träumst?«]
[»Ja, Weiße Eule, wenn auch nicht sehr oft.«]
[»Wenn du wusstest, dass du träumst, hast du versucht, den Traum zu verändern, ihn… schöner zu machen?«]
[»Nein, Weiße Eule. Ich wusste nur, dass ich träume. Ich habe nicht versucht, den Traum zu verändern. Ich wusste nicht, dass man das kann.«]
[»Das ist der zweite Schritt beim Traumwandeln, Lichtschwinge – in den eigenen Traum einzudringen und sich bewusst zu werden, dass es ein Traum ist.«]
[»Wenn das der zweite Schritt ist,
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