Elfenschwestern
sich aufsteigen, als sie das versengte Fleisch roch. Aber sie kämpfte es nieder, duckte sich, zog die Lippen über die Zähne und knurrte tief aus der Brust.
„Genug“, befahl die erste Nymphe. Mit einer herrischen Geste hielt sie ihre Schwester zurück. Zu Lily sagte sie: „Du hast mich neugierig gemacht, Tochter der Fey. Entweder bist du sehr dumm, dass du dein Leben so aufs Spiel setzt, oder aber du bist mächtiger, als wir vermutet haben. Sprich, was willst du von uns?“
Lily erhob sich nicht aus ihrer sprungbereiten Haltung. „Einen Rat.“
„Kein Rat ist umsonst, mein schönes Kind“, sagte die Nymphe. Als sie lächelte, entblößte sie kleine, spitze, seltsam schräg stehende Zähne. Lily musste an einen Haifisch denken und unterdrückte nur mühsam ein Schaudern.
„Ich muss wissen, wie man einen Schutzzauber spricht. Gegen Elfen. Was willst du dafür?“
„Einen Zauber gegen deine eigene Art willst du sprechen? Warum das?“
„Das geht euch nichts an. Euch verbrennt Eisen, aber was verletzt Elfen? Was hindert sie daran, mir zu nahe zu kommen?“
„Das ist der falsche Ansatz“, sagte die Nymphe nachdenklich. „Du willst dich schützen? Dann geht es um dich und nicht um die anderen. Das ist immer so.“
Lily blinzelte verwirrt. Was war das denn für eine kryptische Antwort?
„Du musst dich stärken, nicht sie schwächen“, erklärte die Fey. „Also? Was gibst du mir für meinen Rat?“
Lily sah sie kalt an. „Der ist nicht viel wert. Du kannst meine Pumps haben. Schau“, sie hob den Saum ihrer Robe an. „Schick, oder?“
„Deine Schuhe?“, wiederholte die Nymphe ungläubig. Sie begann zu lachen. „Du bietest mir deine lächerlichen Schuhe an? Wie kannst du es wagen …“
Lily zuckte betont gleichgültig die Achseln. „Ich verrate dir nicht meinen Namen und ich verspreche dir auch nicht das Leben meines noch ungeborenen ersten Kindes. Ich gebe dir nur, was ich geben kann. Ich habe Schuhe, du nicht. Nimm sie oder lass es. Das ist mir egal.“
„Ist es das?“, fragte die erste Nymphe spöttisch. „Das Eisen da an deiner Hand verbrennt uns und deine Zähne mögen stark sein, aber, kleines Mädchen“, sie lächelte und entblößte dabei ihr Haifischgebiss, „unsere sind stärker.“ Und sie durchschnitt die Luft zwischen sich und Lily wie Wasser.
Lily landete rücklings im Schnee. Sie riss ihre linke Hand zwar noch rechtzeitig hoch und hörte auch, wie der eiserne Lilienanhänger die Fey verbrannte, aber ihre Angreiferin ließ sich davon nicht beirren.
Diese Nymphe war kräftiger als ihre Schwester.
Als die gruseligen Kiefer sich nah an Lilys Kehle öffneten, wollte Lily schreien vor Verzweiflung. Dann spürte sie ihren Nacken viel heftiger kribbeln als zuvor und sah ein violettes Licht hinter dem Kopf ihrer Feindin auftauchen.
Das kann ja wohl nicht sein, nicht die auch noch!, dachte sie in dem Moment, in dem das Pixiemädchen mit der Rückfront der Nymphe kollidierte.
Die Nymphe schrie schlimmer als ihre Schwester zuvor.
Lily hörte es mit Grausen. Doch sie nutzte die Gelegenheit, stieß ihre Angreiferin, die versuchte, das Pixie abzuschütteln, von sich herunter, rollte sich auf die Knie, kam hoch und sah auf.
Zwei Frauen stürmten durch den Schnee heran. Eine war weiß gekleidet, eine schwarz. Sie trugen Fackeln, die Lily verdächtig an jene erinnerten, die neben den Terrassenstufen im Schnee gesteckt hatten. Schwenkten sie entschlossen und zeichneten damit Feuerspuren in die Nacht.
Die Nymphen verbargen die Augen. Aufkreischend wichen sie zurück.
„Ja, das brennt, nicht wahr?“, sagte Grace Lancaster, die Frau in Weiß. „Also husch ins Körbchen, ihr Otterngezücht.“
29
Fare thee well, nymph. ~ Nymphe, lauf zu.
Die Nymphen zischten und spuckten, aber die Lancaster-Schwestern trieben sie unbarmherzig zurück in das schwarze Wasser.
„Und da bleibt ihr“, befahl Gwyneth.
„Sie hat uns doch gerufen“, jaulte die ängstliche Nymphe anklagend, blieb stehen und zeigte auf Lily.
Gwyneth seufzte. „Ja, und bedauerlicherweise werdet ihr wieder an Land kommen dürfen, wenn erneut jemand meint, euch um Hilfe bitten zu müssen. Aber bis dahin“, sie hob warnend ihre Fackel, „bleibt ihr bei den Fischen.“
Es gab einen gewaltigen Platsch und die drei Nymphen waren verschwunden. Der See lag wieder schwarz und still.
Lily sackte an seinem Ufer zusammen. Es war ihr egal, dass der Schnee kalt war, dass sie fror und dass sie schon lange kein Gefühl
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