Elfenschwestern
sagte die Mittlere. „Es beißt.“
„Schwestern“, sagte die Nymphe links neben ihr. „Es riecht köstlich. Und ich bin sehr hungrig.“
„Ja“, seufzte die dritte. „Zu selten wagt sich jemand her. Unwissende Menschen manchmal, aber Fey nie. Sie sind gewarnt. Diese hier ist ungewöhnlich leichtsinnig.“
Sie streckte blasse Finger nach Lily aus.
Lily ließ ein lautes Knurren hören. Hastig zog die Nymphe ihre Hand zurück.
„Ungewöhnlich“, murmelte die Mittlere. „Findet ihr nicht?“ Die drei starrten Lily an. Lily starrte herausfordernd zurück und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr Anblick sie schockierte.
Sie waren schrecklich schön. Schlank und schmalgliedrig und bleich wie das Mondlicht. Langes Haar flutete in Wellen bis über ihre Hüften, weiße Gewänder flossen hinab bis auf die bloßen Füße. Nur die pupillenlosen Augen waren so tiefschwarz wie der See von Englefield Park.
Lily schwor sich, niemals auch nur hineinzuwaten. Sie wusste jetzt, wofür der Tempel gedacht war: um die Nymphen im Auge behalten zu können. Denn diese drei hier waren gefährlich. Ganz toll, schimpfte Lily sich. Das habe ich wirklich großartig hingekriegt. Jetzt lüge, Lily, oder dieser Ausflug nimmt ein böses Ende.
Sie reckte das Kinn. „Ich überbringe euch Grüße von einem Freund“, sagte sie.
„Oh, von einem Freund“, wiederholte die Mittlere mit einem wissenden Lächeln. Sie war ein wenig größer als die anderen. „Wer könnte das wohl sein?”
„Wir nennen ihn Fleeting Jim“, antwortete Lily. Und betete, dass dies ein Name war, unter dem die drei Fey ihn kannten. Was sollte sie sonst sagen? Er verändert seine Gestalt wie das Wasser? Und ist verliebt in meine tote Großmutter?
Doch sie hätte sich keine Sorgen machen müssen, in einer einzigen fließenden Bewegung wichen die Nymphen zurück.
„Er“, zischte die zweite, die hungrige Schwester. „Was will er? Nur weil er keine Menschlein mehr in seine Fluten zieht, seit er sein Herz für sie entdeckt hat, müssen wir nicht auch abstinent leben. Sag ihm das!“
„Nein“, protestierte die dritte, die eine Hand nach Lily ausgestreckt hatte. Sie hatte die Furcht einflößenden Augen weit aufgerissen und schlang schützend beide Arme um sich. „Sag ihm das bloß nicht!“
Woah, dachte Lily, sie hat Angst vor ihm.
„Ja“, sagte die erste Nymphe, als hätte sie Lilys Gedanken gelesen. „Mit dem Wanderer will sich keine von uns überwerfen. Aber weißt du: Wir sind hier und er ist es nicht.“
„Noch nicht! Vergiss nicht, dass er herkommen kann“, hauchte die Furchtsame der drei. „Sobald der Schnee taut und die Flüsse steigen, führt auch der kleine Bachlauf wieder Wasser. Zu uns! Dann sind wir nicht mehr abgeschnitten. Dann kann er uns finden.“
„Das könnte er“, gab ihre Schwester zu. „Wenn er denn wüsste, dass er einen Grund dafür hat.“
Die Hungrige begann leise zu lachen. „Aber er wird es ja nicht wissen, meinst du.“
Die erste Nymphe lächelte. „Genau.“
Die beiden rückten wieder näher an Lily heran, hoben wieder die Hände. Lily sah jetzt, dass sie lange, spitze Nägel hatten. Die Ränder waren dunkel. Von was, das wollte Lily gar nicht wissen.
„Wenn ihr mir zu nahe kommt, reiße ich euch in Stücke“, warnte sie. Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern zu pumpen begann. Gegen diesen Feind konnte sie kämpfen. Und sie würde es auch tun!
Sie schrie, so wie der Tiger schreit, wenn er angreift, um sich zu verteidigen. Halb fauchend, halb brüllend.
Die ängstliche Schwester, die zurückgeblieben war, zuckte zusammen. „Wirklich ungewöhnlich“, hauchte sie.
„Nicht ungewöhnlich genug“, zischte die Hungrige und schnellte vor.
Doch der Tiger war vorbereitet. Lily wehrte die auf sie zufliegende Faust ab und packte dann zu. Die Nymphe schrie. Lily sträubten sich die Nackenhaare, aber sie ließ nicht los, obwohl sie den kalten, klammen Körper der anderen an ihrem spürte und das bleiche Gesicht so nah an ihrem unheimlich war.
Ihre Gegnerin heulte auf vor Schmerz und Wut. Als Lily ihren Griff lockerte und die Nymphe sich endlich von ihr losreißen konnte, umklammerte sie mit einer Hand die andere. Da, mitten in die Handfläche, hatte sich die eiserne Lilie eingebrannt, die an Lilys Gelenk baumelte.
„Das wirst du mir büßen, Elfenkind“, jaulte die Nymphe. „Du wirst schon sehen.“
Lily spürte ein Gefühl der Übelkeit in
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