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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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ich vergaß.“ Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Der Titel ist es nicht.“
    Seine Freunde lachten und winkten Lily zu sich herüber.
    Lily hätte ihnen am liebsten die kalte Schulter gezeigt, winkte aber stattdessen zurück. Zu Jolyon sagte sie: „Du solltest gehen.“
    „Nein“, er schüttelte den Kopf. „Tigermädchen …“
    „Nenn mich nicht so.“
    Damit hatte sie ihr Ziel erreicht. Jolyon tat unwillkürlich einen Schritt zurück. Sein Gesicht, oh, nie würde Lily das Gesicht vergessen, das er machte. Er sah aus, als hätte Lily ihm gleichzeitig eine Ohrfeige verpasst und ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Etwas zuckte über seine Züge, das Lily für Schmerz hielt, dann wurde sein Blick hart und kalt. Er machte einen Diener.
    „Es geschieht doch alles so, wie du es willst, Miss Fairchild. Guten Abend. Ich muss deinen Freunden Drinks servieren gehen.“ Seine Frackschöße flogen, als er mit langen Schritten davonstolzierte.
    Dann war er fort.
    Lily fragte sich, ob es sein konnte, dass er ihr Herz mitgenommen hatte, solch ein entsetzlich leeres, hohles Gefühl hatte sie in der Brust. Sie stand dort unter den Lichterketten und dachte seltsam emotionslos: Wie passend eigentlich, dass diese Dinger Fairy Lights heißen.
    Und während sie zu dem kunstvoll angestrahlten Tempel unten am See hinüber starrte, kam ihr ein neuer Gedanke. Es ist natürlich unwahrscheinlich, bremste sich Lily. Selbst wenn ich Recht haben sollte, können sie mir nicht helfen. Nein schlimmer, sie werden mir nicht helfen wollen. Warum sollten sie auch?
    „Nun“, sagte Lily laut in die kalte Nacht hinein. „Das kann ich sie ja fragen. Einen Versuch ist es wert.“ Vor allem, sagte sie sich, wenn er mich von Jolyon ablenkt. Von seinem Gesicht, von seinem Schmerz. Und von meinem Schmerz.
    Sie packte sich die weiße Wolldecke von dem nächsten Stuhl, hüllte sich darin ein wie in ein Cape und marschierte entschlossen los. Quer über die Terrasse, die breiten Stufen hinunter, zwischen den beiden Fackeln hindurch, die neben der letzten Stufe im Schnee steckten, hinein in die Nacht und hinüber zum Tempel.
    Der See lag schwarz und still.
    Das will nichts heißen, dachte Lily, die langsam näher kam. Sie fröstelte. Jetzt, da keine glühenden Kohlen sie mehr gegen die Kälte schützten, fror sie ziemlich. Ihre Füße in den hochhackigen Abendschuhen waren schon fast gefühllos. In lederbesohlten High Heels durch Schnee zu stapfen, ohne dabei auszurutschen, erwies sich zudem als echte Herausforderung. Ob ich bis ans Wasser muss?, überlegte Lily. Sie schauderte bei dem Gedanken, nasse Füße zu kriegen.
    Der Tempel war von unten gelb angestrahlt. Die Relieffiguren hatten finstere Schatten im Gesicht und lächelten bedrohlich von ihrem Giebel auf Lily hinunter. Es war doch sicher kein Zufall, dass dieses Gebäude genau dort stand. Was hatte Grayson erzählt? Von hier kann man ihnen beim Baden zusehen. Also war das nächstgelegene Ufer die beste Wahl.
    Lily bahnte sich ihren Weg. Schilf stand an dieser Seite wenig, der hart gefrorene Boden trug sie gut. Sie gelangte problemlos an die Wasserkante. Mit einer Hand rieb sie sich den plötzlich kribbelnden Nacken.
    „Hallo?“, rief sie. Ihre Stimme klang klein und verloren über das Wasser. Verhallte ungehört in der Nacht. Der nahe Wald wisperte, sonst war es ruhig. Die Decke eng um sich gewickelt, sank Lily in die Knie. Ihre Fingerspitzen berührten Eisschollen und bitterkaltes Nass.
    „Ihr kennt mich nicht“, sagte sie laut. „Ich bin eure Schwester, eine Tochter der Fey. Ich brauch euren Rat. Bitte, kommt doch herauf. Bitte. Ich werde euch auch nicht lange behelligen.“ Lily strengte die Augen an, als sie auf den See hinausblickte, konnte aber nichts erkennen. Sah sie ein Licht? Nein, sie musste sich getäuscht haben. Die feinen Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf. Und Lily stellte fest, dass ihr zum zweiten Mal in wenigen Tagen die nächtliche Dunkelheit Angst machte. Sie war sicher: Etwas bewegte sich darin.
    Lily strengte die Ohren an und lauschte weiter. Der Wind stand still. Das Wasser ruhte. Sie hörte nichts. Und wirbelte fast zu spät herum.
    Sie standen hinter ihr. Die ausgestreckten Hände bereit, um Lily rücklings in den See zu stoßen, auf dass die schwarzen Fluten sie verschluckten.
    Lily fauchte. Machte sich sprungbereit, zog die Oberlippe hoch und bleckte warnend die Zähne.
    Die drei Nymphen wichen überrascht zurück.
    „Oh“,

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