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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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lassen. Ich habe deine Schwester nicht daran gehindert, sich aus meiner Umarmung zu kämpfen, als sie in jenem Winter durchs Eis brach. Ich brachte deinem Bruder stets die Zweige ans Ufer, die er am sehnsüchtigsten begehrte. Und ich trug die heißen Tränen deiner Mutter hinfort, als euer Vater sie verließ. Dir aber schulde ich noch einen Gefallen.“
    Eine Weile konnte Lily nicht sprechen. Schließlich brachte sie hervor: „Warum zeigst du dich mir erst heute?“
    „Du warst gut geschützt, Tochter der Fey.“
    Lily schluckte. „Und jetzt bin ich es nicht mehr?“
    Er antwortete mit einem munteren Glucksen. „Sei unbesorgt, die schützenden Zauber der Liebe haben dich stark gemacht, das kann dir keiner nehmen. Du hast einen starken Willen und ein noch stärkeres Herz. Vertraue auf diese beiden, während du deinen Weg suchst.“
    „Aber helfen sie mir gegen wütende Pixies?“, fragte Lily verwirrt.
    „Die Pixies“, seufzte Fleeting Jim, so wie der Fluss manchmal seufzte, wenn der Wind über seine Wasser strich. „Ich ahnte sie, noch bevor ich sie sah. Wilde Kreaturen sind es, nicht von hier. Als sie über meine Fluten hinwegtobten und auf das verhexte Cottage schimpften, das sie nicht einließ, wusste ich, dass der Zeitpunkt gekommen war, mich dir zu zeigen, um dir gegen deine Feinde beizustehen. Ich habe dich gerufen, Tochter der Fairchilds und der Fey, und du bist meinem Ruf gefolgt.“ Fleeting Jim breitete die Weidenarme aus. „Jetzt höre mich an. Ich weiß nicht, was dir die Zukunft bringt, aber ich weiß, was du in ihr leisten könntest. Viel, Tigerlilie. Du trägst diesen Namen nicht umsonst. Er ist Versprechen wie Beschwörung. Sie sahen deine Kraft und hofften, du würdest mit ihr wachsen. Ich hoffe das ebenfalls. Ich habe mich daran gewöhnt, dich an meinem Ufer entlangwandern zu sehen und dich in meinen Fluten schwimmen zu lassen.“
    „Du weißt so viel über mich“, flüsterte Lily zwischen Furcht und Ehrfurcht schwankend.
    Er beugte sich zu ihr hinunter. „Ja, aber du weißt noch mehr. Du musst dieses Wissen nur annehmen. Du bist der Tiger und die Lilie, die Fey und der Mensch. Akzeptiere beide, dann hast du dich gefunden.“
    Er umarmte sie. Zumindest glaubte Lily das. Es fühlte sich an, als tauche sie in kühles Wasser und würde doch nicht nass.
    Nun war er fort. Zurückgekehrt zu dem, was er war.
    Lily drehte sich um und umschlang den Stamm der Weide. „Danke, Granny“, flüsterte sie. „Danke, dass du mir deinen Freund geschickt hast. Danke, dass du mich geliebt hast. Und danke“, ihre Stimme versagte ein wenig, „danke, dass du dich selbst über den Tod hinaus um uns kümmerst.“ Sie küsste die kalte Borke.
    Dann hockte sie sich so nah ans Ufer, dass sie die Handfläche dicht über das Wasser halten konnte. „Ich danke auch dir“, sagte sie. „Von Herzen. Als Fey und Menschenkind. Die Familie Fairchild wird immer dein Freund sein.“
    Die Wellen kitzelten sie. Und im Rauschen des Fleeting Jim glaubte sie, seine Antwort zu hören.
    Der Wald war ein anderer.
    Oder war sie selbst eine andere geworden? Mit jedem Schritt, den Lily tat, schien sie sich einer neuen Version ihrer selbst zu nähern. Sie konzentrierte sich nicht mehr nur auf das, was sie riechen konnte, nicht nur auf das, was sie hören oder sehen konnte, nein, sie tat dies alles auf einmal. Ließ los, öffnete sich. Und ein bisschen fühlte es sich an, als hätte jemand ein Licht entzündet, das die ganze Welt heller werden ließ. Und schöner, dachte Lily.
    Die letzten Sonnenstrahlen des Tages vergoldeten den Wald. Der Schnee glühte, während Lily darüberschritt, die Birken warfen lange, schlanke Schatten quer über ihren Weg.
    Damals hatte auch die Sonne geschienen.
    „Ihr dürft es niemandem sagen“, schärfte Kate ihren Töchtern ein.
    „Was?“, fragte Rose. Sie war sieben. Stand in einem rot-weiß karierten Kleid und mit umwölkter Miene vor Mutter und Schwester. Bohrte wütend die Zehen in den Staub.
    Die Sonne brannte Lily heiß auf den Scheitel. Sie fror trotzdem und drückte sich enger an Kate, die neben ihr auf der Treppe hinter Grannys Haus saß.
    „Ihr dürft niemandem sagen, dass ihr anders seid“, antwortete Kate. „Ihr dürft niemandem erzählen, was ihr könnt.“
    „Warum?“, fragte Lily. Mit einer Stimme so viel zaghafter als die Roses.
    Kate schlang fest einen Arm um ihre jüngere Tochter. Den anderen Arm streckte sie Rose entgegen. Widerwillig trat Rose heran. Aber als Kate sie an

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