Elfenschwestern
keine Kippen mehr.“
„Duncan“, sagte Lily, während Duncan einparkte. „Du rauchst doch gar nicht.“
Duncan grinste nur.
Drinnen schob er für Lily den Wagen und tat weiter, was er Lilys Erfahrung nach richtig gut konnte: Er hielt den Mund. Erst als Lily minutenlang dastand und auf eine Packung Fruit Loops starrte, weil Gray die doch liebte und sie keine mehr hatten, Gray aber ja gar nicht da war und Lily nicht wusste, was sie tun sollte, fragte Duncan: „Erzählst du mir jetzt, was los ist?“
Lily fuhr herum.
Duncan, so kantig und breit in seiner braunen Lederjacke mit dem Lammfellkragen, sah aus, als könnte ihn nichts umwerfen. Aber, dachte Lily unruhig, Elfengeschichten würden das vielleicht doch schaffen.
„Na, komm“, Duncan versetzte ihr einen freundschaftlichen Stoß gegen die Schulter. „Deine Schwester redet ja nicht mit mir. Und als Ausgleich für meine außerordentliche Ritterlichkeit heute bist du es mir fast schuldig, mich einzuweihen. Dann habe ich vielleicht einen Anhaltspunkt, wenn Rose das nächste Mal Streit mit mir sucht, was ihr die Laune verhagelt haben könnte.“
Er zwinkerte ihr zu.
„Macht dir das echt nichts aus?“, platzte Lily heraus und schlug sich dann erschrocken beide Hände vor den Mund. „Tut mir leid“, flüsterte sie. „Vergiss es, es geht mich überhaupt nichts an, wie ihr eure Beziehung führt.“ Sie merkte, wie ihr vor Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg.
„Ihr seid euch so ähnlich und doch so verschieden“, sagte Duncan nachdenklich. „Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen.“
„Wie meinst du das?“
Dieses Mal grinste er ein ganz anderes Grinsen. Langsamer. Bedächtiger. Als wäre es ganz allein für sie bestimmt. „Na komm“, sagte er. „Das weißt du genau. Ihr habt doch Spiegel zu Hause.“ Immer noch grinsend schob er den Einkaufswagen weiter.
Mit den Frühstücksflocken in der Hand folgte Lily ihm verwirrt. Hatte er ihr gerade ein Kompliment gemacht?
Duncan war bei der Schokolade stehen geblieben. „Was Süßes? Als Stimmungsaufheller? Vielleicht hilft’s“, sagte er hoffnungsvoll. „Deine Schwester ist toll. Aber irgendwann wird selbst mir dieses Hin und Her und Auf und Ab zu viel.“
Lily wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
„Wenn ich nicht endlich verstehe, was Rose umtreibt“, fuhr Duncan fort, „lässt sie mich demnächst wieder fallen. Und das halte ich nicht aus. Komm schon, Lil, hilf mir ein bisschen.“
Lily legte die Fruit Loops vorsichtig in den Einkaufswagen. „Wir machen uns Sorgen um unseren Bruder“, sagte sie. „Er ist“, sie zögerte, „in Gefahr.“
„In Gefahr?“, wiederholte Duncan. „Das klingt dramatisch.“
„Ist es auch.“
„Und inwiefern …“
„Rose hat Mrs Sherman heute erzählt, dass er ernsthaft erkrankt ist. Man weiß nicht, woran.“
„So. Rose hat das erzählt.“
„Hm.“ Lily warf Toastbrot in den Einkaufswagen. Stapelte Eier daneben. Milch. Joghurt. Viel Joghurt. „Wir wissen nicht, wann sich die Lage entspannt. Okay? Jetzt bist du vorgewarnt.“
„Okay.“
Duncan verfiel wieder in Schweigen, Lily räumte weiter Regale leer. „Fertig?“, fragte er schließlich.
Lily warf einen Blick in den Wagen. Sie hatte automatisch hineingepackt, was sie immer kauften, wenn Kate sie freitags mit zum Großeinkauf nahm. Also lauter Dinge, die Rose, Lily, Gray und Kate mochten. Und das nehme ich jetzt auch alles mit, dachte Lily trotzig. Für dann, wenn wir wieder zusammen sind. „Ja“, sagte sie. „Auf zur Kasse.“
Duncan hielt ihr die Beifahrertür auf, als sie wieder ins Auto stiegen.
Soweit sich Lily erinnern konnte, hatte sie noch nie neben Duncan in seinem Wagen gesessen. Sonst ist ja auch immer Rose dabei, dachte sie, und fühlte sich ein wenig merkwürdig. Ihre Schultern waren gar nicht so weit von seinen entfernt und ihre Knie in Kates geliehener Feinstrumpfhose wirkten unter dem Schulfaltenrock plötzlich ungehörig entblößt und spitz. Lily rutschte etwas tiefer in ihren Dufflecoat. Neben Jolyon so zu sitzen, würde mir nichts ausmachen, schoss es ihr durch den Kopf, während sie die Schultern hochzog und die Hände in die Taschen wühlte.
„Kalt?“, fragte Duncan. Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er die Heizung höher. „Kein Wunder. Ich bin nur froh, dass inzwischen geräumt wurde. Gestern war überhaupt kein Durchkommen.“
Die Straßen durchzogen wie asphaltgraue Bänder die verschneite Hügellandschaft. Die hüfthohen
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