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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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leichtfüßig voran. Eine Treppe hinauf, zwei Flure hinunter. Da waren die Doppeltüren zur Aula. Lily hörte drinnen den „Chor der Elfen“ singen. Sie stoppte ab, atmete tief durch, spürte Jolyon und Duncan links und rechts von sich auftauchen, legte die Hand auf die Klinke und drückte sie herunter.
    Der Zuschauerraum war in Dunkelheit getaucht, die Bühne in Zwielicht. Ein falscher Mond schien dort auf einen nächtlichen Wald. Und was war das für ein Wald! Mit dichten Tannen und schlanken Föhren, mit Mooskissen und Farnwedeln, mit Girlanden von Sommerblumen im Geäst, mit Spinnweben, in denen Tautropfen glitzerten. Und dort mitten zwischen silbernen Pappeln lag, auf wilde Orchideen gebettet und von ihren Untertanen gerade in den Schlaf gesungen, die Elfenkönigin Titania. Rose.
    Erleichterung durchflutete Lily. Alles war gut, ihrer Schwester war nichts geschehen.
    Doch dann sah sie, wie sich etwas im Unterholz bewegte.
    „Ihr wartet hier“, flüsterte Lily den beiden Jungen zu, die hinter ihr die abgedunkelte Aula betreten hatten. Duncan zuckte die Achseln, Jolyon schüttelte den Kopf.
    „Du gehst nicht alleine“, sagte er so leise, dass Duncan ihn nicht hören konnte. „Was, wenn sie wirklich hier sind?“
    Dann war Rose mit Sicherheit in Gefahr.
    Lily begann, so zügig wie möglich zwischen Wand und Stuhlreihen entlangzuschleichen. Wie der Tiger, dachte sie. Tiger, Tiger! Auf leisen Pfoten, ungesehen und trotzdem schnell.
    Sie spürte Jolyon hinter sich, wandte den Blick aber nicht von ihrer Schwester, bis sie die kleine Treppe erreichte, die zur Bühne hinaufführte. Sie würden jetzt gleich die Proben empfindlich stören und für jeden sichtbar werden. Lily sprang die fünf Stufen hinauf. Mit einem geschmeidigen Satz landete sie auf der Bühne. Und in einem richtigen Wald.
    Lilys Nasenflügel flatterten. Sie konnte den feuchten Waldboden riechen, das Harz der Tannen und den süßen Duft der gepflückten, sterbenden Blumen, die in den Ästen hingen. Nur konnte das nicht sein, weil dies alles hier doch Kulisse war, die Mooskissen zwar echt, aber getrocknet waren, die Pappeln und Föhren wirkliche Stecken, aber nur noch totes Holz, die Blumen aus Seidenpapier, die Nadelbäume auf Pappe gemalt. Und wieso war Jolyon nicht mehr hinter ihr?
    Lily war beunruhigt. Sie ließ ein drohendes Knurren hören. Und wer auch immer dort im Unterholz kauerte, richtete sich auf, trat aus den Schatten ins Mondlicht und auf Lily zu.
    „Hallo, Nichte“, sagte die fremde Fey. Und lächelte ein Lächeln wie Rose.
    Lily fühlte sich, als müsse der Boden unter ihr nachgeben. Sie warf einen raschen Blick zu der Lichtung zwischen den Pappeln hinüber. Rose lag noch immer bewegungslos auf ihrem Blumenbett.
    Lily entblößte ihre schönen, scharfen Zähne. „Bleib weg von meiner Schwester“, fauchte sie. „Wer auch immer du bist.“
    Die Fremde war groß, mindestens so groß wie Rose und Lily. Im Silberlicht konnte Lily nicht erkennen, welche Farbe Haare und Augen hatten, aber dunkel waren sie, und die Haut schimmerte hell. Wie bei Lily. Wie bei Rose.
    Die Fey warf den Kopf in den Nacken und lachte. Als ihr kinnlanges Haar nach hinten fiel, war es, als trüge der Nachtwind, der hier nicht wehen konnte, den Duft von süßem Lavendel herüber.
    Lily duckte sich zum Sprung.
    Doch die Fey gebot ihr mit einer erhobenen Hand Einhalt. „Warte, Tigerlilie. Ich bin keine Gefahr für dich oder deine Schwester.“
    Lily glaubte ihr kein Wort. „Warum dann das hier?“ Sie umfasste mit einer ausholenden Bewegung den Wald im Mondlicht. „Was soll diese“, sie zögerte, „Illusion?“
    Die Fey lächelte amüsiert. „Du lernst schnell. Das ist gut. Das musst du auch, wenn du deinen Bruder retten willst.“
    Lily stockte der Atem.
    Die Fey trat näher. „Deinen Bruder und meinen Neffen, ja, meinen Neffen. Ich bin nicht euer Feind, Tigerlilie. Ich bin von eurem Blut. Und ich will euch helfen. Nur weil wir euer Haus nicht betreten können und ihr nicht auf unsere Nachricht reagiert habt, bin ich jetzt hierhergekommen. Das, was du Illusion nennst, schützt uns vor den Augen der Menschen.“
    „Der Brief war von dir“, flüsterte Lily.
    Die Fremde nickte.
    „Ich habe ihn eben erst gefunden“, begann Lily zu erklären und unterbrach sich dann selbst. Sie wusste noch immer nicht, ob sie der Fey mit dem betäubenden Lavendelduft glauben konnte.
    „Du hast ihn nicht gelesen?“
    Lily schüttelte den Kopf. Sie hatte den Umschlag sofort

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