Elfenschwestern
Pixieweibchen riss aus, doch Baskerville setzte ihm nach.
Alistair gelang es nun endlich, sein Pferd unter Kontrolle zu bringen. Prince tat einen Satz von der Brücke und blieb zitternd stehen. Der Weg war frei.
Ohne genau zu wissen, was sie tat, hieb Lily Duchess die Fersen in die Seite. Die Schimmeldame galoppierte los, über die Brücke, an Prince und Alistair vorbei, hinter Baskerville und dem Pixie her ins offene Gelände.
Nein, Lily wusste nichts von der Kunst des Reitens. Aber so, wie sie noch kurz zuvor ihre Bewegungen instinktiv den maßvollen Schritten ihres Pferdes angepasst hatte, tat sie es jetzt auch bei den Galoppsprüngen. Und es funktionierte! Die Stute und ihre Reiterin jagten nur so über das verschneite Feld. Duchess mochte ja eine Lady sein, aber sie war auch ein Vollblut, gezüchtet für Reitsport oder Galopprennen.
Lily war klar, dass ihre Aufgabe darin bestand, Duchess zumindest die Richtung zu weisen. Das im letzten Tageslicht nur schwach leuchtende Pixiewesen hatte Lily zwar aus den Augen verloren, aber Baskerville, der in großen Sätzen seine Beute verfolgte, sah sie deutlich.
Lily packte die Zügel fester, falls sie den Kurs würde korrigieren müssen. „Immer hinter Basker her“, rief sie ihrer Stute zu.
Hinter sich hörte sie einen zustimmenden Antwortschrei.
Lily blickte über die Schulter.
Alistair galoppierte heran. Prince griff weit aus mit seinen kräftigen Beinen und gewann zügig an Boden. Der Angriff der Pixies mochte ihn erschreckt haben, aber hier kam ein Jagdpferd, das diesen Namen verdiente. Alistair beugte sich tief über den lang gestreckten Hals des dahinstürmenden Rappen. Sein blasses Gesicht zeigte grimmige Entschlossenheit.
Lily ahnte, dass sie genauso aussah. Ein wohliger Schauder lief ihr über den Rücken. Sie hatte bei der wilden Jagd dabei sein wollen? Sie war es.
Vor ihnen verschwand Baskerville mit einem Satz zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Ackers. Wenn Lily und Duchess ihm da hinein in dem Tempo folgten, das sie gerade vorlegten, würde es ein Unglück geben.
„Langsamer, Duchess“, rief Lily. Sie zog nur sanft an den Zügeln, vertraute aber darauf, dass diese kluge Stute das Richtige tun und sich nicht blindlings ins Verderben stürzen würde. Und richtig: Duchess verringerte ihre Geschwindigkeit kurz vor dem Waldrand. Schnaubend zwängte sie sich zwischen immergrünen Sträuchern hindurch und blieb dann unter den ersten Bäumen stehen. Lily schaute sich um. Hier gab es keinen Pfad, nur Unterholz.
Ohne lange nachzudenken, rutschte Lily von Duchess’ Rücken. Sie schlang dem Pferd kurz beide Arme um den Hals. „Danke, meine Schöne“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Jetzt bleibst du hier, ich will nicht, dass du dir ein Bein brichst.“
„Lily!“ Alistair und Prince bahnten sich ihren Weg durch die Büsche.
Lily grinste ihnen entgegen. „Na, komm schon!“, rief sie dem jungen Fey noch zu, dann rannte sie los.
Es war wie zu Hause im Wald hinter dem Bluebell Cottage. Der Tiger in ihr öffnete die Augen, richtete sich auf und rannte auf federnden Tatzen los. Sprang über Felsen, duckte sich unter niedrigen Ästen hindurch. Lauschte immer wieder auf das Bellen Baskervilles in der Ferne, folgte dem Klang. Und auch wenn irgendwo in Lily, dem Tiger, noch Gefühle wie Angst und Wut tobten, herrschte jetzt die Freude daran vor, sicher und schnell den Weg durch diesen dunklen Wald zu finden und die Beute in der Nähe zu wissen. Lily setzte zum Endspurt an.
Alistair aber war schneller als sie. Trotz des Vorsprungs, den Lily hatte, kam er näher. Und näher. Und holte sie ein. Lily hörte seinen beschleunigten, aber regelmäßigen Atem. Dann, als sie noch ein letztes Mal stehen blieb, um zu lauschen und sich zu orientieren, spürte sie ihn heiß in ihrem Nacken. Der feine Flaum an ihrem Haaransatz stellte sich auf.
Alistair trat neben Lily. Sein Herzschlag war stark, schnell und regelmäßig, er roch nach erhitzter Haut, Blut und Erde. In seinen jettschwarzen Augen glitzerte die Jagdlust. Er grinste.
Lily grinste zurück.
Als Baskerville anschlug, sprinteten die beiden gleichzeitig los, rannten im selben Takt die letzten Meter, um dann vor einer mächtigen Eiche abzustoppen.
Der riesige schwarze Labradormischling knurrte den Baum an. Lily trat ein paar Schritte zur Seite und sah, dass zwischen den Wurzeln etwas glühte.
„Er hat es erwischt“, flüsterte sie. Triumph und Überraschung mischten sich in ihrer Stimme.
„Guter
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