Elfenschwestern
Junge“, lobte Alistair. Plötzlich hatte er ein Messer in der Hand. Er legte dem Hund eine Hand ins Genick und zog ihn zurück.
Das Pixieweibchen kauerte auf allen vieren vor ihnen. Einer seiner Libellenflügel war geknickt, ein anderer eingerissen. Seine Augen glühten rot, aber das violette Leuchten seiner Gestalt pulsierte nur schwach. Das Pixie richtete seine Kohlenaugen auf Alistairs Klinge und schrie.
Lily lief es kalt den Rücken hinunter. „Hör auf“, befahl sie dem kleinen Wesen. „Ich kenne dich. Du hast versucht, mich zu töten. Mehrfach! Und heute ihn.“ Sie zeigte auf Alistair. „Warum? Antworte mir! Ich weiß, dass du sprechen kannst.“
Das Pixiemädchen bleckte die nadelspitzen Zähne und fauchte. Doch als Baskerville bedrohlich tief in der Kehle zu knurren begann, zuckte es zurück und presste sich gegen den Eichenstamm in seinem Rücken.
„Antworte!“, wiederholte Lily.
Alistair sagte nichts, trat aber näher. Aus Sicht des kleinen geflügelten Geschöpfs musste er hoch wie ein Wolkenkratzer vor ihm aufragen.
Die Flügel des Pixies begannen zu vibrieren. Wie aufgeregtes Mückengesumm klang das. „Gehorchen“, sirrte es. „Müssen gehorchen. War Befehl.“
Lily ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte ja gewusst, dass die Pixies Gray nicht geholt haben konnten. Es war noch jemand anderes mit im Spiel. Der Duke? Das konnte sie so nicht fragen, sein Sohn stand neben ihr. „Wer?“, verlangte sie zu wissen. „Wer gab euch diesen Befehl?“
Das war der Moment, in dem das zweite Pixie vom Himmel fiel. Geifernd und mit durch die Luft zuckenden Krallen. Alistair und Lily wichen unwillkürlich zurück. Das Pixiemädchen nutzte die Gelegenheit, um sich unbeholfen in die Luft zu erheben. Als Baskerville wütend bellend vorsprang, zog es ihm die Klauen über die empfindliche Nase. Der Labrador jaulte und Alistair hob mit entschlossener Miene sein Messer.
„Nein!“ Lily fiel ihm in den Arm.
Das Pixiemädchen flatterte schwerfällig davon. Sein Gefährte flog eilig hinterher.
„Was zum …“ Alistair schüttelte Lily ab. Sie taumelte ein paar Schritte zurück.
„Es tut mir leid“, rief sie. „Aber ich konnte dich es nicht töten lassen.“
„Es wollte dich töten!“, begehrte Alistair auf. „Und mich auch! Und es hat keine Gnade gezeigt!“
„Ich weiß“, flüsterte Lily. „Trotzdem.“
Alistair holte tief Luft. Die Wut wich langsam aus seinen Zügen. Nachdenklich legte er den Kopf schief. Dann kräuselten sich seine Mundwinkel. „Du hast ein mitfühlendes Herz, meine Hübsche. Wie ungewöhnlich für eine so unerbittliche Jägerin.“
Lily blinzelte, als er plötzlich wieder diesen neckenden Ton anschlug. „Leidest du unter Stimmungsschwankungen?“, fragte sie erbost. „Oder ist das einfach nur dein Naturell?“
Er kam auf sie zu. „Finde es heraus“, murmelte er ihr ins Ohr, bevor er an ihr vorbeiging. Drei Schritte weiter knickte sein linkes Bein unter ihm ein. Mit einem erstickten Schmerzensschrei ging er zu Boden.
Lily war sofort bei ihm. „Bist du verletzt?“ Sie kniete neben ihm nieder. „So wie du hinter mir hergerannt bist, dachte ich, es hätte dich vielleicht doch nicht so schlimm erwischt, wie es auf der Brücke aussah.“
Sein Gesicht war blasser als sonst, als er sie ansah, aber in seinen Augen glitzerte der Schalk. „Wäre ich kein Elf, hätte ich mir heute das Bein gebrochen. So ist es nur ein bisschen Schmerz und Blut. Warum fragst du? Machst du dir etwa Sorgen um mich, meine Hübsche?“ Seine Stimme war seidenweich. Und seine Hände schlossen sich wie von selbst um ihre Mitte.
„Ja. Das mache ich tatsächlich“, fauchte Lily, schubste seine Hände beiseite, half ihm aufzustehen und legte sich seinen Arm um die Schultern. „Aber das wird mich nicht davon abhalten, dir eine runterzuhauen.“
Alistair lachte immer noch, als sie die Pferde erreichten.
Bei einsetzender Dunkelheit ritten sie zurück. Langsam. Prince war erschöpft, Baskerville quälten seine Kampfwunden und selbst Alistairs Jagdstiefel und Elfenknochen hatten nicht verhindern können, dass sich der junge Fey gemeine Prellungen und Kratzer zugezogen hatte. Lily war froh, als Englefield Park endlich vor ihnen auftauchte, beeindruckend prächtig mit all seinen erleuchteten hohen Fenstern. Doch gerade als sie den schwarzen See passierten, krümmte Lily sich plötzlich in ihrem Sattel zusammen.
Alistair zügelte sein Pferd. „Hey“, rief er scharf. „Nicht du auch noch.
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