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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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haben, Tigerlily.“
    Lily erinnerte sich tatsächlich daran, das gesagt zu haben. Heute Morgen. Lachend. Im Scherz. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen hoch und versuchte ängstlich, im Mondlicht das Gesicht ihrer Schwester zu lesen. „Rose“, sagte sie mit plötzlich klopfendem Herzen, „natürlich kannst du ihn haben. Auch wenn es völlig verrückt ist, über einen Jungen zu reden, als sei er bloß ein Gegenstand. Aber nehmen wir mal an, er sei eine besonders cremige Sahneschnitte oder so etwas.“
    Rose grinste.
    Gott sei Dank, dachte Lily erleichtert.
    „Wäre er also der letzte Brownie, den Mum von Fortnum & Mason mitgebracht hat, oder das letzte Stück von Grannys Pflaumenkuchen“, fuhr sie fort, „dann könntest du ihn haben. Mit Handkuss, wie gesagt. Willst du ihn denn?“
    Rose rollte sich auf den Rücken. Sie verschränkte beide Arme hinter dem Kopf und starrte hinauf in den Betthimmel. „Keine Ahnung.“
    Lily wartete. Weil nicht mehr kam, fragte sie vorsichtig: „Sag mal, als Alistair dich heute aufgefangen hat, ist da irgendwas passiert zwischen euch? Du hast hinterher so seltsam dreingeschaut.“
    „Habe ich?“
    „Nur ein bisschen“, beeilte Lily sich zu versichern. Sie wollte nicht, dass ihre Schwester plötzlich beschloss, sich in stoisches Schweigen zu hüllen, so wie sie es manchmal tat.
    „Es war nicht, dass er mich aufgefangen hat“, überlegte Rose, „obwohl er wirklich beeindruckend schnell reagiert hat.“
    „Überirdische Elfensinne“, erinnerte Lily sie.
    „Stimmt.“ Rose lachte leise. „Nein, es war der Moment, als sich unsere Hände berührten.“ Sie schwieg eine Weile, so als durchlebe sie diesen Augenblick noch einmal.
    „Du hast ausgesehen, als hättest du einen elektrischen Schlag abgekriegt“, erinnerte sich Lily.
    „Ja“, flüsterte Rose. „Genau so hat es sich angefühlt.“ Sie seufzte und es klang tatsächlich sehnsüchtig. „Ich fürchte, ich reagiere im höchsten Grade biochemisch auf den Earl. Ausgerechnet!“
    Ausgerechnet? „Hm?“, machte Lily fragend.
    „Er läuft herum, als sei er Gottes Geschenk an die Frauen“, sagte Rose und klang fast wütend. „Und trotzdem liegen ihm die dummen Hühner alle zu Füßen. Ich bin wenigstens nicht so selbstgefällig, wenn die Kerle sich überschlagen, um mir zu gefallen.“
    Oh, das meinte sie also damit, dass er wie sie sei. Normalerweise eroberte Rose alle Herzen im Sturm und ließ sie dann achtlos fallen. Aber hier kam Alistair und tat genau dasselbe. Nett, dachte Lily sarkastisch, alle beide.
    „Alistair und ich, das wäre durchaus interessant“, murmelte Rose. Dann seufzte sie. „Aber wir wissen immer noch nicht, was wir von dem Earl halten sollen, oder? Ich meine: Wenn wir nicht mal den eigenen Verwandten trauen können, wie dann dem Erbfeind?“
    Lily nickte. Zu wahr.
    Rose griff nach Lilys Hand. „Es bleibt dabei: Es sind nur wir beide, Schwesterchen. Wir beide gegen alle. Vergiss das nicht.“
    Dieser Gedanke behagte Lily gar nicht. Es dauerte lange, bis sie in dieser Nacht einschlief.
    So früh am Morgen war der Park menschenleer. Nebel hing über dem Schilf, zog hinaus auf den schwarzen See, verschluckte den Schall, machte die Welt kleiner.
    Lily stand am Ufer. Sie roch brackiges Wasser, trockene Gräser, warme, gefiederte Körper. Sonst nichts. Sie schluckte einmal hart. Dann begann sie zu singen. „Hört die Himmelsboten singen!“, sang Lily etwas zittrig. „Friedenskunde uns zu bringen. Glory to the new-born king .“
    Lily biss sich auf die Lippen und lauschte. Da waren Schilfhalme, die sich in einem Windstoß aneinanderrieben, sich aufplusternde Wasservögel, knackendes Eis am Ufer. Sonst nichts. Mit brennenden Augen setzte Lily erneut an: „Hört die Himmelsboten singen! Friedenskunde uns zu bringen.“ Bei den letzten Worten brach ihre Stimme.
    Oh, verdammt. Lily vergrub ihr Kinn in ihrem Schal und ballte die Hände links und rechts von ihrem Dufflecoat zu Fäusten. Sie hatte alles falsch gemacht, sie hätte sofort gestern Abend Grays Fährte aufnehmen müssen, auch auf die Gefahr hin, Alistairs Verdacht zu erregen. Jetzt war es zu spät. Die Spur war kalt. Sie hatte versagt.
    Doch was war das?
    Jemand sang: Glory to the new born king .
    Lilys Knie wurden weich. Ungläubig hob sie den Kopf, ihre Nasenflügel bebten, als sie erneut Witterung aufnahm. Da war er: der Geruch von weichem, sonnenwarmem Kinderhaar.
    „Grayson“, flüsterte Lily. Schrie dann: „Grayson!“
    Ihr

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