Elfenschwestern
Ekel?“ Er blieb so abrupt stehen, dass sie fast in ihn hineinlief. „Das ist hart.“
„Ja, die Wahrheit tut weh“, sagte sie unbarmherzig.
„Ich dachte, du kannst mich leiden“, zog er sie auf. „Hast du zumindest gesagt.“
„Ein wenig, habe ich gesagt. Schon vergessen?“
„Vielleicht würdest du mich mehr leiden können, wenn du dich von mir küssen ließest. Sollen wir es mal versuchen?“
Lily riss ihre Hand aus seiner, wich vor ihm zurück und schlang beide Arme um ihren Oberkörper. „Es ist entschieden zu kalt hier draußen, um mit dir zu streiten, Alistair.“
„Streiten hatte ich ja auch nicht im Sinn, als ich dich hier rausgebeten habe“, murmelte er.
Lily ignorierte das. „Entweder Baskerville in seiner Waschküche ist hier gleich um die Ecke oder ich gehe sofort zurück.“ Bei den letzten Worten hatten ihre Zähne angefangen zu klappern.
Er seufzte. „Du bist eine harte Nuss. Und du zitterst.“ Er zog sie an sich.
Sie sträubte sich kurz, aber dann spürte sie seine Wärme und sank ergeben gegen ihn. So fror sie tatsächlich viel weniger. „Ich bin keine harte Nuss“, erklärte sie Alistairs Hemdbrust. „Ich bin nur nicht interessiert.“
Einen Herzschlag lang rührte er sich nicht, dann packte er sie bei den Schultern und hielt sie von sich weg. „Sag das noch mal, wenn du es wirklich so meinst“, verlangte er mit einer Stimme, der jeglicher scherzhafte Unterton fehlte. „Aber sag es mir ins Gesicht.“
Lily schluckte schwer. Wenn der Mond so wie jetzt durch die Wolken brach, machte er aus Alistairs Antlitz ein Bildnis aus Silberlicht und Schatten. Wie ein junger Gott, hatte Rose gesagt. Und Recht gehabt.
„Na los, Lancaster“, sagte Alistair rau. „Sag es schon. Dann lass ich dich in Ruhe.“
In diesem Moment merkte Lily, dass die Gänsehaut in ihrem Nacken nicht von der Kälte herrührte.
„Alistair“, hauchte sie. „Pixies.“
Er brauchte nur eine Sekunde, um zu reagieren. Mit einem Satz beförderte er sich und Lily an die Hauswand, presste sie in den Schatten unter einem Fenstersims.
„Wo?“, flüsterte er fragend in ihr Ohr.
Lily schüttelte den Kopf und scannte die Dunkelheit. Der Mond hatte sich wieder hinter Wolkenberge zurückgezogen, aber die verschneiten Rasenflächen, die sich hinter Englefield Park mit seinen Stufenterrassen erstreckten, reflektierten selbst das wenige Licht. Lily entdeckte die geflügelten Geschöpfe, wie sie um den Brunnen tanzten: Das violette Leuchten war deutlicher zu erkennen als das weiße. Jetzt flitzten die Pixies quer über die Wege heran.
Lily deutete für Alistair in ihre Richtung. Er fluchte unterdrückt und sah sich nach einem Ausweg um.
„Nein“, sagte Lily leise. „Warte. Sie wollen nicht zu uns.“
Und tatsächlich: Die Pixies stiegen höher. Atemlos beobachtete Lily, wie sie im ersten Stock vor einem dunklen Fenster Funken zu sprühen begannen.
Lily schrak zusammen, als sich das Fenster tatsächlich öffnete. Sie sah nicht, wer sich da in die Nacht hinauslehnte. Sie sah nur, dass die Pixies sich in ein Paar geöffnete Hände schmiegten.
Und sie roch Blumenduft. Zu süß für Winter. Zu frisch für Schnee.
Jasmin.
Das da oben war Grace.
22
The fairy land buys not the child of me. ~ Das Feenland kauft mir dieses Kind nicht ab!
„Du hast es ihm nicht gesagt?“
Lily schüttelte den Kopf, so gut es im Liegen ging.
Die Schwestern hatten Zuflucht gesucht in Roses Traum von einem Bett. Es war perfekt, um ungestört Geheimnisse auszutauschen. Die beiden Fairchilds konnten gemeinsam unter eine Decke schlüpfen und sich nebeneinander auf einer Matratze ausstrecken. Der Himmel bauschte sich so über ihren Köpfen und fiel so hinter ihren Schultern herab, dass er eine Höhle für sie formte, wie geschaffen, um Schätze darin zu verstecken.
„Ich habe Alistair nicht gesagt, dass es Grace war, weil er es selbst herausfinden wird“, erklärte Lily. „Er will diesen Jamesson fragen, wer das Zimmer bewohnt, das zu dem Fenster gehört. Spätestens morgen früh weiß Alistair also Bescheid. So lange haben wir noch, um uns zu überlegen, was wir jetzt machen.“
„Erst mal“, sagte Rose langsam, „werden wir wütend.“
Lily sah ihre Augen funkeln. „Gut“, sagte sie besänftigend. „Wir sind wütend. Erledigt. Mehr Zeit können wir uns dafür nicht nehmen. Was jetzt?“
„Jetzt sind wir verletzt. Und enttäuscht. Oder? Du wahrscheinlich mehr als ich.“
Lily schwieg. Dachte an Graces
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