Elfenschwestern
liebevolle Gesten, an Gwyneth’ messerscharfen Humor. Und fühlte den Schmerz in ihrer Brust. „Ja“, gestand sie mit enger Kehle. „Ich hatte die beiden gerne als Tanten. Ich habe sie auf Anhieb gemocht.“
„Aber sie haben uns auch nur belogen!“, zischte Rose. „Schlimmer noch: Sie haben die Pixies auf dich gehetzt. Sie haben das Leben ihrer eigenen Nichte riskiert!“
Rose drückte Lilys Hand, dass es wehtat.
Okay, dachte Lily, ihre Schwester war immer noch wütend.
„Wie es aussieht, können wir uns wirklich nur auf uns verlassen“, sagte Rose bitter. „Da ist sonst keiner mehr.“
Auf einmal hatte Lily Angst. Angst um die Schwester, die der Welt gegenüber immer abweisender wurde und immer weniger Vertrauen schenken wollte. „Doch, Rose“, flüsterte sie drängend. „Natürlich! Mum wird wiederkommen. Mr Webber ist auf unserer Seite. Und Jolyon. Auf jeden Fall Jolyon.“
„Aber sie sind alle nicht hier“, stellte Rose klar. „Wir müssen uns jetzt allein einen Reim auf die ganze Sache machen. Und die Frage ist nach wie vor: Wer hat Grayson entführt? Wenn wir richtig liegen, konnten die Pixies nicht in Mums Appartement. Und dass die Tanten, die irgendwie gemeinsame Sache mit den Pixies machen, hier auftauchen, legt ja wohl auch den Verdacht nahe, dass sie Gray nicht in ihrer Gewalt haben.“
„Ihn aber gerne hätten.“ Lily erinnerte sich unbehaglich daran, wie vehement die Lancaster-Schwestern gleich zu Anfang ihrer Bekanntschaft erklärt hatten, bei der Suche nach dem verlorenen Bruder helfen zu wollen.
„Ja.“ Roses Augen glitzerten. „Und genau wie wir denken sie, dass die Yorks ihn haben. Sie glauben wahrscheinlich sogar, dass sie Grayson hier verstecken! Warum sonst sollten die Tanten den ganzen Aufwand betreiben, um mit uns zu diesem Debütantinnenball zu gehen?“
Dann wohl doch nicht, weil sie stolz auf uns sind oder uns helfen wollen, dachte Lily müde. Sie räusperte sich. „Grace und Gwyneth denken also, Grayson ist hier auf Englefield Park. Und wenn sie Recht haben? Ich hätte heute am See dieser Fährte folgen sollen. Sofort.“ Lily fühlte sich schuldig.
„Du hast für eine Sekunde gedacht, du riechst Grayson“, fasste Rose zusammen. „Für eine einzige Sekunde! Wie soll das gehen? Wahrscheinlich hast du dich geirrt.“
Lily zuckte mit einer Schulter. „Ich weiß es auch nicht. Aber es ist die einzige Spur, die wir haben, oder?“
„Wenn du das so formulierst …“
Lily setzte sich abrupt auf. „Ich muss wieder raus! Nachsehen!“
„Nein.“ Rose zog sie zurück in die Kissen. „Rede keinen Blödsinn, Schwesterherz. Wenn du meinst, du musst gehen, dann gehst du morgen. Sobald es hell ist. Selbst du mit deinen überirdischen Elfensinnen brauchst ein bisschen Tageslicht. Ich werde sie alle beim Frühstück beschäftigt halten, bis du wieder da bist. Alistair. Die Tanten. Jeden, der nach dir fragt. Okay?“
„Okay.“
Die Schwestern schwiegen.
„Lily?“
„Hm?“
„Was habt ihr da draußen eigentlich gemacht, du und Alistair, als ihr die Pixies entdeckt habt?“
Lily fühlte, wie sie errötete. Aber im Mondlicht konnte Rose das ja zum Glück nicht sehen. „Wir wollten zu Baskerville“, sagte sie vorsichtig.
„War der nicht in der Waschküche? Warum seid ihr durch die Kälte gelaufen anstatt durchs Haus?“
Lily blinzelte. Gute Frage. Sie hatte keine Antwort darauf. Außer dass Alistair mit ihr hatte allein sein wollen. Draußen. Im Dunkeln. Oh Gott!
„Lily“, sagte Rose wieder, dieses Mal ernster. „Du hast schon gemerkt, dass unser Earl es auf dich abgesehen hat, oder?“ Nachdenklich fügte sie hinzu: „Du hast ja wirklich einen ganz schönen Lauf im Moment.“
Jetzt war sich Lily sicher, dass ihre Wangen brannten. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, redete ihre Schwester schon weiter: „Ich dachte, du hast dich in Jolyon verliebt?“
„Hab ich mich doch auch“, sprudelte es aus Lily hervor. „Alistair ist einfach …“, sie brach ab, suchte nach Worten. „Er ist wie ich“, sagte Lily schließlich. „Da draußen im Wald, da ist er wie ich. Er denkt wie ich. Er fühlt wie ich. Es ist einfach schön, mal nicht die Einzige zu sein mit diesen – wie hast du sie genannt? –, mit diesen überirdischen Elfensinnen.“ Und als sie das laut aussprach, wusste sie, dass es so war.
„Ehrlich?“, sagte Rose leise. „Und ich dachte, er ist wie ich.“
Lily runzelte verwirrt die Stirn.
„Du hast gesagt, ich könnte ihn
Weitere Kostenlose Bücher