Elfenstern
›Dschungelblume‹,
aber der
Zwerg verließ Griffith nicht gleich. Im Schatten einer
riesigen Zeltpalme
wartete er, bis der Mann und die Frau hinauskamen. Gern wäre
er ihnen gefolgt,
aber er kannte seine Grenzen. Die schwerfälligen Zwerge sind
nicht für das
verstohlene Anschleichen geschaffen. Und in der
ausschließlich von Menschen
bewohnten Stadt Griffith war es für ihn unmöglich, in
der Menge unterzutauchen.
Er begnügte sich, den beiden nachzuschauen, als
sie die Straße hinuntergingen. Drugar traute ihnen nicht,
aber er hätte auch
der heiligen Thillia nicht getraut, wäre sie ihm erschienen.
Es behagte ihm
nicht, sich auf einen Mittelsmann verlassen zu müssen; viel
lieber hätte er mit
den Elfen direkt verhandelt. Das aber war unmöglich. Es
bestand eine
Übereinkunft zwischen den gegenwärtigen Herrschern
Thillias und der Familie
Quindiniar, worin letztere sich verpflichtete, weder die Zwerge noch
die
barbarischen Seekönige mit ihren magischen, denkenden Waffen
zu beliefern. Im
Gegenzug verpflichteten sich die Thillaner zur Abnahme einer
garantierten
Anzahl von Waffen pro Quintal.
Die Elfen waren mit der Vereinbarung zufrieden.
Und wenn Elfenwaffen in die Hände von Seekönigen oder
Zwergen gelangten, war es
gewiß nicht die Schuld der Quindiniars. Wie Calandra unwirsch
zu bemerken
pflegte. Wie konnte man von ihr erwarten, einen Waffenschieber von
einem
legitimen Abgesandten der Herrscher Thillias zu unterscheiden?
Für sie sahen
alle Menschen gleich aus. Ihr Geld ebenso.
Kurz bevor Roland und Rega aus seinem Blickfeld
verschwanden, griff Drugar nach einem schwarzen Runenstein, der an
einer
Lederschnur um seinen Hals hing. Der Stein war rund und glatt,
abgenutzt von
vielen liebevollen Berührungen, und er war alt –
älter als Drugars Vater, –
einer der ältesten lebenden Bewohner von Pryan.
Drugar hob den Stein vor seine Augen, bis er
Roland und Rega zu verdecken schien. Er bewegte den Stein hin und her
und
zeichnete so die darin eingeritzte Rune in die Luft, während
er halblaut die
überlieferten Worte sprach. Anschließend barg er den
Stein wieder in den Falten
seiner Kleidung.
»Ich habe die Rune nicht für euch gesungen,
weil
ich eine Zuneigung für euch empfinde«, sagte er laut
in Richtung der beiden
Waffenschmuggler, die eben im Begriff waren, um eine Hausecke zu
biegen. »Ich
habe euch mit dem Schutzzauber belegt, damit ich sicher sein kann, die
Waffen
zu bekommen, die mein Volk braucht. Sobald der Handel abgeschlossen
ist, werde
ich den Zauber von euch nehmen. Und Drakar soll euch beide
holen.«
Drugar spuckte aus, drehte sich um und schlug
den Weg ein, der aus der Stadt in den Dschungel führte.
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Kapitel 4
Equilan,
Enthial-See
Calandra Quindiniar gab sich keinen Illusionen
bezüglich des Charakters der beiden Menschen hin, mit denen
sie
Geschäftsbeziehungen unterhielt. Sie war ziemlich sicher,
daß es sich um
Schmuggler handelte, aber das kümmerte sie nicht. Nach ihrer
Meinung war
ohnehin kein Mensch fähig, ein korrektes und ehrliches
Geschäft zu führen. Sie
hielt alle Menschen für Schmuggler, Betrüger und
Diebe.
Deshalb beobachtete Calandra mit einiger
Belustigung – ein Luxus, den sie sich nur selten erlaubte
–, wie Aleatha aus
ihrem Elternhaus trat und über den moosigen Hof zur Gondelbahn
ging. Der Wind,
der raschelnd durch die Baumwipfel strich, faßte ihr Kleid
und bauschte den
hauchzarten Stoff zu luftigen, grünen Wellen um ihren
Körper. Die jetzige
Elfenmode schrieb eine lange, enggeschnürte Taille vor,
steife, hohe Kragen und
schmale Röcke. Diese Mode kleidete Aleatha nicht, und deshalb
ignorierte sie
die Mode. Ihr Kleid war tief dekolletiert, um die herrlichen Schultern
zur
Geltung zu bringen, das leicht geraffte Oberteil betonte schmeichelnd
die
wunderschönen Brüste. Der fließende, zarte
Stoff umhüllte ihre Gestalt wie eine
mit Schlüsselblumen bestickte Wolke und unterstrich ihre
anmutigen Bewegungen.
Der Stil war zu Lebzeiten ihrer Mutter modern
gewesen. Jede andere Frau hätte in diesem Kleid fade und
altmodisch gewirkt.
Aleatha brachte es fertig, daß die aktuelle Mode
fade wirkte.
Sie erreichte die Gondelbahn. Calandra sah nur
ihren Rücken, aber die ältere Schwester
wußte, was sich abspielte: Aleatha
schenkte dem Menschensklaven, der ihr in die Kutsche half, ein
Lächeln.
Das Lächeln war absolut damenhaft – die
Augen
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